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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
Autoren: Karl May
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ist also ein Franzose?“
    „Natürlich!“
    „Und nicht aus Stuttgart?“
    „Keineswegs. Man weiß in Paris ebensogut wie hier, daß mein Bruder das Vertrauen seiner Vorgesetzten genießt, und daß man ihm Arbeiten aufträgt, welche eine bedeutende Einsicht in Deutschlands Verhältnisse zu Frankreich voraussetzen. Bei ihm ist also am besten und – wie man denkt – am leichtesten etwas zu erfahren. Daher hat man diesem Haller den Auftrag gegeben, nach Berlin zu gehen und meinen Bruder auszuhorchen. Er soll sich in unsere Familie einführen lassen und so viel wie möglich zu erfahren suchen.“
    „Also darum fragte er so angelegentlich nach Ihnen!“
    „Ja, darum.“
    „Und ich soll ihn trotzdem bei mir wohnen lassen?“
    „Unbedingt. Ich selbst werde ihn zu uns einladen.“
    „Aber das ist ja gefährlich.“
    „Wieso?“
    „Er will ja spionieren.“
    „Sie sind kostbar, meine Liebe. Wir werden ihn spionieren lassen und ihm von allem gerade das Gegenteil sagen. Verstehen Sie mich?“
    „Ah, jetzt begreife ich. Er wird dadurch getäuscht.“
    „Natürlich.“
    „Er wird nach Paris berichten und folglich auch Napoleon irreleiten.“
    „Das beabsichtigen wir. Auf diese Weise ziehen wir ihm die Trümpfe aus der Karte und bekommen sie in unsere Hand.“
    „Aber die Behörde? Was wird sie von mir denken?“
    „Sie ist von allem unterrichtet und wird, sobald er sich anmeldet, wissen, wo sie ihn zu suchen und zu überwachen hat. Das ist weit besser, als wenn er im Verborgenen arbeitet. Wenn Sie klug sind und ihn hier behalten, so wird man das gern anerkennen.“
    „Aber wenn er mich aushorcht.“
    „Sie können ihm doch nichts sagen!“
    „Das ist wahr. Aber etwas muß ich doch sagen.“
    „Nun, sagen Sie nur immer, daß wir Angst vor Frankreich haben, daß wir mit den Süddeutschen uneinig sind, daß der Russe und der Engländer uns hassen, und daß der Österreicher uns wegen Anno Sechsundsechzig auch nicht wohlwill. Unsere Soldaten fürchten sich vor dem Krieg; unsere Offiziere sind ganz und gar gegen einen solchen; unser Pulver taugt nichts; die französischen Chassepots schießen sicherer und weiter als unsere Zündnadelgewehre, und gegen die Mitrailleuse gibt es nun ganz und gar kein Aufkommen. Ist das genug?“
    Die beiden anderen sahen Emma verwundert an.
    „Das ist ja eine ganze, lange Litanei!“ sagte die Wirtin. „Also Sie meinen wirklich, daß ich ihn behalten soll?“
    „Ja. Ich bin sogar überzeugt, daß Sie von den Behörden einen Wink über Ihr Verhalten bekommen werden.“
    „Nun, so will ich es wagen, zumal Sie versichern, daß er in Ihre Familie Zutritt finden wird. Was Sie tun, darf ich auch wagen.“
    „Wagen Sie es immerhin. Er wird bei uns sogar als Hausfreund behandelt werden. Aber meine liebe Madelon, jetzt erst fällt mir Ihre Kleidung auf. Sie sind ja wie zur Reise angekleidet!“
    „Ich verreise allerdings. Der Gegenstand unseres Gesprächs war bisher so hochinteressant, daß ich noch gar nichts anderes sagen konnte.“
    „Wohin wollen Sie gehen? Doch nicht weit?“
    „Sogar sehr weit, nämlich nach Frankreich.“
    Emma machte eine Bewegung des Erstaunens und fragte:
    „Nach Frankreich? Und gerade jetzt? So plötzlich? Warum?“
    „Meine Schwester telegrafierte, daß unser Pflegevater gestorben ist. Ich habe die Pflicht, an seinem Grab zu sein.“
    „Ihre Schwester in Ortry?“
    „Ja, sie ist mit Fräulein von Sainte-Marie von ihrer Reise dorthin zurückgekehrt.“
    „Wohnte Ihr Pflegevater nicht bei Etain?“
    „Ja, auf Schloß Malineau.“
    „Welch eine lange, weite Reise. Wer begleitet Sie?“
    „Niemand.“
    „Dann sind Sie höchst mutig. Weiß die Frau Gräfin Hohenthal davon?“
    „Ich habe es ihr natürlich brieflich gemeldet.“
    „Wie schade. Zunächst kondoliere ich natürlich; sodann aber muß ich Ihre Abreise herzlich bedauern. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut, Sie nach meiner Wiederkehr recht oft zu sehen!“
    „Meine Abwesenheit wird nicht lange dauern.“
    „Nun, so muß ich mich zu fassen suchen. Eins freut mich aber doch dabei, nämlich, daß Sie das Glück haben werden, Ihre Schwester zu sehen.“
    „Es sind allerdings Jahre, daß wir voneinander schieden, und ihre Briefe sind so sehr kurz.“
    „Sie schreibt aber doch oft?“
    „Nicht zu sehr. Der letzte Brief war ausnahmsweise einmal hochinteressant. Er handelt von einem Menschen, dessen Schicksal ganz und gar den unserigen gleicht.“
    „Darf ich neugierig
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