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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
Autoren: Karl May
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erzählt.“
    „Er wird sich hüten. Er wirft dadurch kein sehr empfehlendes Licht auf sich selbst. Also Sie haben sich vorgenommen, ihn mir vorzustellen, liebe Madelon?“
    „Ich habe es ihm sogar versprochen, wie ich Ihnen ja bereits erzählt habe.“
    „Wann soll das geschehen?“
    „Wenn er jetzt von seinem Ausgang zurückkehren und hier Zutritt nehmen sollte, müßte es ja doch geschehen.“
    „Das ist wahr. Wir werden da gleich bemerken, ob er wirklich ein feiner Mann ist.“
    „Wieso?“
    „Wird er verlegen, oder läßt er sich merken, daß er mich bereits gesehen hat, so stellt er sich in Beziehung seiner gesellschaftlichen Eigenschaften ein schlechtes Zeugnis aus.“
    „Das macht mich höchst neugierig. Ich wollte, daß er sogleich zurückkäme.“
    „Und ich wünsche ihm keine solche Eile, da ich Ihnen vorher eben die wichtige Mitteilung zu machen habe, von welcher ich vorhin sprach. Ich nannte ihn einen gefährlichen Menschen, und Sie wollen das nicht zugeben, liebe Madelon.“
    „Ich bin auch jetzt noch meiner Ansicht.“
    „Nun, so will ich meinen Ausspruch steigern, indem ich ihn nicht nur für einen einfach gefährlichen, sondern sogar für einen gemeingefährlichen Menschen erkläre.“
    Madelon erblaßte. Sie kannte die Freundin genau; sie wußte, daß diese nicht ohne einen guten Grund sich solcher Ausdrücke bedienen werde. Sie faltete die Hände und sagte:
    „So wäre er ja ein Verbrecher.“
    „Das ist er auch. Das, was er tut, verdient Strafe.“
    „Und wir haben ihn für einen so feinen, anständigen Herrn gehalten. Wie man sich doch irren kann! Er hat so gute, treue Augen und so ehrliche Züge. Man könnte ihm gut sein, wenn man ihm nur in das Gesicht blickt.“
    „Das habe ich alles auch bemerkt. Und doch ist er gemeingefährlich. Oder wie soll man es sonst nennen, wenn ein Mensch nicht nur einem einzelnen, sondern dem ganzen Vaterland, dem ganzen Deutschland gefährlich wird?“
    „Dem ganzen Vaterland? Das verstehe ich nicht. Ist er etwa ein verkleideter russischer Nihilist?“
    „Nein.“
    „Ein sozialdemokratischer Führer?“
    „Auch nicht.“
    „Ein Dynamitverschwörer, ein Massenmörder à la Thomas?“
    „Das alles nicht; aber er ist einfach – ein Spion.“
    Da sprang die Witwe vom Stuhl auf. Sie hatte die Führung des Gesprächs bisher den beiden Mädchen überlassen. Was sie hörte, das gab ihr zu denken. Aber jetzt! Sie, die gute preußische Untertanin, die loyale Berlinerin, beherbergte einen Spion bei sich. Das war ja entsetzlich!
    „Ein Spion?“ schrie sie auf. „Ist das wahr?“
    „Ja, meine Liebe.“
    „Wissen Sie es genau?“
    „Ganz genau. Dieser Maler Haller ist mir avisiert worden. Ich habe ihn bereits erwartet; nur dachte ich nicht, daß er sich zufällig gerade bei Ihnen einlogieren werde.“
    „Von wem wurde er avisiert?“
    „Von meinem Bruder.“
    „Das genügt. Ihr Herr Bruder ist ein tüchtiger Mann. Was er sagt und behauptet, das ist wie ein Evangelium. Dieser Haller muß fort, fort, sogleich fort von hier. Ich sage es ihm, sobald er kommt. Ja, ich lasse ihn sogar arretieren.“
    „Das alles werden Sie nicht tun.“
    „Nicht? Ah! Warum? Soll ich einen Spion bei mir dulden und dadurch mit der Behörde in Konflikt geraten?“
    „Sie werden ihn weder fortjagen noch ihn arretieren lassen, noch mit der Behörde in Konflikt geraten.“
    „So? Wirklich? Was werde ich denn tun?“
    „Sie werden ihn bei sich behalten, ihn gut bedienen und ihm gar nicht merken lassen, was sie von ihm wissen.“
    „Das ist ja eine Unmöglichkeit.“
    „Nein; das ist sogar Ihre Pflicht und Schuldigkeit! Soll ich Ihnen das erklären?“
    „Ich bitte sehr darum, Fräulein von Königsau!“
    „Nun, so hören Sie. Ich kann, ohne auszuplaudern, Ihnen sagen, daß mein Bruder das Vertrauen der allerhöchsten militärischen Behörde genießt –“
    „Das ist nicht ausgeplaudert, denn das wissen wir ja alle. Ihr Herr Bruder erfährt vielleicht Dinge, von denen selbst ein General nichts zu hören bekommt.“
    „Nun, so muß ich Ihnen sagen, daß ein baldiger Krieg mit Frankreich zu befürchten ist.“
    „Man spricht davon.“
    „Frankreich will vorsichtig sein und sich vorher überzeugen, ob seine Kräfte den unseren gewachsen sind. Auf öffentlichem Weg kann es diese Überzeugung aber nicht erlangen, und so greift es zu dem einzigen Mittel, welches noch bleibt: Es überschwemmt Deutschland mit seinen Spionen.“
    „Und dieser Haller ist ein solcher? Er
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