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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
Autoren: Karl May
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Wilddieb, hat eine Larve mit möglichst langer Nase vorzustecken.‘ Ist das nicht impertinent?“
    „Sehr. Aber man hat zu gehorchen.“
    „Werde sehen. Ich, der Hauptmann und Oberförster von Rodenstein als langnasiger Wilddieb! So eine Malitiosität ist mir all mein Lebtag noch nicht vorgekommen! Die lange Nase ginge noch, aber der Wilddieb wurmt mich. Was nur dem Herzog eingefallen ist! Na, ich werde mir das Ding doch erst einmal überlegen. Jetzt aber muß ich hinüber nach Rodriganda, um denen da drüben den Brief und das Verzeichnis zu übergeben. Es stehen noch mehr Personen drauf, ich habe aber keine Zeit, es zu lesen.“
    „Werden der Herr Hauptmann denn auch hinüberlaufen können?“ fragte Ludewig besorgt.
    „Warum denn nicht? Ich möchte den Rheumatismus sehen, der mich verhindern könnte, einen großherzoglichen Maskenball mitzumachen! Ein Wildspitzbube muß laufen können. Sieh dich nach dem Kurier um, daß er gehörig zu essen und zu trinken bekommt. Der Kerl hat es verdient.“
    Er humpelte wirklich die Treppe hinab und durch den Wald nach Rodriganda, wo seine Botschaft großes Aufsehen hervorbrachte. Die Bewohner dieses schönen Landsitzes waren bereits von allem unterrichtet, was in Mexiko geschehen sei, und vor einigen Tagen war aus Spanien durch Sternaus Hand die Nachricht gekommen, daß alles gut gehe und der falsche Alfonzo nebst der Schwester Clarissa sich bereits in Haft befinde. Zarba, die Zigeunerin, hatte man nebst ihrer Bande nicht aufzufinden vermocht, was umso auffälliger war, da auch Tombi, der Waldhüter, aus Rheinswalden verschwunden war. Dafür aber hatte man den alten Pater Dominikaner aufgefunden, welcher Marianos Jugendlehrer gewesen war, seine Abstammung aus der Beichte des Bettlers Petro kannte und Sternau aus dem Gefängnis zu Barcelona befreit hatte. Daran hatte Sternau die Bemerkung geschlossen, daß es ihm und seinen Gefährten vielleicht möglich sei, nach Verlauf von vierzehn Tagen nach Rheinswalden aufzubrechen. Diese Nachricht hatte alle mit großer Freude und Wonne erfüllt. Endlich, endlich stand das so heiß ersehnte Wiedersehen bevor. Der Seelenzustand der Bewohner von Rheinswalden und Rodriganda läßt sich gar nicht beschreiben, er war ein fast fieberhafter zu nennen.
    Zu dieser gehobenen, freudigen Stimmung paßte ganz der Vorschlag, welchen der Großherzog in seinem Schreiben machte. Er war von dem Herzog von Olsunna in einer Audienz von dem Stand der Dinge unterrichtet worden, und es lag klar, daß er mit der Maskerade bezweckte, ein Bild des Volkes zu geben, in dessen Mitte die Zurückerwarteten so viele Freunde, aber auch ebensoviele Feinde gefunden hatten.
    Die Anweisung des Zeremonienmeisters war eine sehr ausführliche. Der Hauptmann hatte sie seinem Ludewig nicht vollständig vorgelesen. Sie enthielt genaue Angaben über die Kleidung der einzelnen Personen. Daß jeder das Gesicht mit einer Larve zu verhüllen hatte, konnte nicht auffallen. Die Vorbereitungen zu dem Fest begannen auf der Stelle und am Tag vor dem Fest waren alle Garderobestücke fertiggestellt.
    Waldröschen befand sich wie in einem glücklichen, wonnigen Traum. Sie sollte den Vater sehen, den ihre Augen noch nie erblickt hatten, und den – Geliebten. Die Erwartung trieb sie hin und her und auf und ab. Gegen Abend des erwähnten Tages konnte sie es im Schloß nicht aushalten, sie mußte hinaus in ihren lieben Wald, um sich die Szene des frohen Wiedersehens zum tausendstenmal in einsamer Stille auszumalen. –
    Zu derselben Stunde saßen in einem Dickicht zwei Männer beisammen, welche leise miteinander sprachen.
    „Ob Sie sich nicht irren werden, lieber Geierschnabel“, flüsterte der eine.
    „Sicher nicht, Master Sternau“, antwortete der andere. „An jedem der vier Tage, welche ich hier auf der Lauer lag, ist der alte Graf im Wald herumspaziert. Er spricht leise vor sich hin und findet sich vor der Dämmerung nach dem Schloß zurück. Er scheint die Wege zu kennen.“
    „Gott gebe, daß es mir gelingt. Wie gern hätte ich meinem Herzen gefolgt, aber es galt, den Willen des Großherzogs zu berücksichtigen. Ah, da höre ich Schritte!“
    Sie lauschten. Es nahte jemand leise, langsam, fast schleichend. Graf Emanuel war es, welcher wie ein Nachtwandler geistesabwesend vorüberging. Sternau huschte hervor, ging ihm nach und holte ihn ein.
    Der Graf erschrak nicht, als er ihn bemerkte, sondern setzte teilnahmslos seinen Weg fort, als ob niemand vorhanden sei. Sternau grüßte
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