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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Autoren: Joan D. Vinge
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wurden.
    Als sie Kai heute gefunden hatte, war ihr sein Lächeln breiter als sonst vorgekommen. Es war beinahe selbstsicher gewesen, und sie erkannte, dass er heute besonders darauf gehofft hatte, sie zu sehen. Doch dann hatte er plötzlich den Blick von ihrem Lächeln abgewandt, als wäre es zu hell für seine an die Dämmerung gewohnten Augen, als hätte er geradewegs in die Sonne gesehen.
    Aber dann bemerkte sie, dass er einen Grund hatte, den Blick abzuwenden, denn er griff neben sich und zog ein Paar aus Hanf geflochtene Sandalen hervor wie die, die er selbst trug. Solche, wie die Bauersfrauen und beinahe alle Männer, die sie kannte, sie trugen.
    Er sah noch immer zu Boden, als er murmelte: »Hier.« Doch das Lächeln stahl sich wieder auf sein Gesicht. »Wenn du die trägst, kannst du besser Schritt halten. Dann werde ich nicht immer auf dich warten müssen.«
    Sie wurde rot, verärgert und entzückt gleichzeitig, als sie sie annahm. Sie zerrte ungeduldig an ihren seidenen Gewändern und versuchte, ihre Füße zu befreien, obwohl selbst ihre Arme in langen Ärmeln gefangen waren, die wie Schmetterlingsflügel flatterten. »Ich kann nichts dafür, dass ich so langsam bin. Vater lässt mich nie Jungenkleidung tragen, nicht einmal, wenn ich mit dem Bogen oder dem
naginata
übe.«
    Sie fand einen ihrer Füße, sah auf und erkannte, dass ihre Worte nicht nur seine Miene verändert hatten, sondern auch ihre. »Ich bin sicher, die hier helfen.«
    Sie lächelte erneut und deutete auf die Sandalen. Wenigstens würde sie sich nicht mehr an Dornen oder Steinen verletzen, wenn sie sie trug.
    Sie hätte sich beinahe auf den Boden neben ihn fallen lassen, doch im letzten Augenblick fing sie sich und setzte sich stattdessen anmutig auf einen warmen, trockenen Fels. Sie streckte den Fuß aus.
    Kai starrte ihn einen Moment lang an, bevor er erkannte, dass sie darauf wartete, dass er ihr die Sandale anzog, als sei sie eine echte Dame – auch wenn eine echte Dame nie einem Jungen, geschweige denn einem Gemeinen, erlaubt hätte, ihren Fuß anzufassen. Sie unterdrückte ein Lächeln beim Gedanken an die entsetzten Gesichter ihrer Kinderfrauen – und betete, dass diese sie nie in einem solchen Augenblick erwischten.
    Kai nahm ihren Fuß und ließ die Sandale mit mehr Vorsicht und Sorgfalt darauf gleiten, als er je einem der unbezahlbaren Gegenstände hatte zuteilwerden lassen, die er in der Burg schon zerbrochen hatte. Die Sandale passte perfekt. Er zog ihr auch die andere an, dann stand er auf, verbeugte sich und bot ihr mit der Galanterie eines Samurai seine Hand.
    Sie blinzelte, als sie seine Hand nahm und sich erhob, und fragte sich, woher er solche Dinge wusste. Jeder in der Burg sagte, er sei hoffnungslos dumm und man könne ihm nichts beibringen. Und doch wusste sie, dass er viel von dem verinnerlichte, was er sah, und es auch verstand, obwohl er sein Leben allein im Wald verbracht hatte. Einige Leute tuschelten, dies sei der Beweis, dass er ein Dämon war. Aber sie wusste, dass sie falschlagen.
    Sie hatte erkannt, dass er sich merkte, was ihm bedeutungsvoll schien, und den Rest ignorierte. Er war ein
tennin
, und nichts, was jemand sagte oder tat, konnte das ändern.
    Sie sah auf ihre Füße hinab und erinnerte sich wieder daran, wo sie war und was für ein Geschenk sie gerade erhalten hatte. »Oh, das ist viel besser!« Sie sah strahlend auf. »Woher wusstest du, wie groß meine Füße sind?«
    Kai zuckte mit den Achseln. »Von deinen Fußabdrücken.« In seinem Blick flackerte Stolz auf, den sie nur selten bei ihm sah. »Ich habe einfach meine kopiert.«
    »Wirklich?« Sie lachte überrascht auf. »Alles, was ich kopieren kann, sind die Schriftrollen. Ich habe die Sprüche des Konfuzius zweimal abgeschrieben – wusstest du, dass er sagt: ›Frauen sollten gesehen, nicht gehört werden‹? Wie kann er es wagen? Ich bin eine Samurai ...« Sie unterbrach sich.
Samurai beschwerten sich nicht
.
    »Aber meine Amme sagt immer, ›Worte, nicht Taten sind angemessen für eine Dame‹. Was soll ich also tun ...?«
    Sie unterbrach sich erneut, als sie Kais Gesichtsausdruck sah, und erkannte auf einmal, dass gedankenlose Worte auch Taten sein konnten, genauso wie ein Schlag ins Gesicht oder der Stoß eines Schwerts durch ein Herz, das einem vertraute.
    »Danke, Kai-
sama
«, murmelte sie und verbeugte sich vor ihm, als begrüße sie einen der respektabelsten Gästen ihres Vaters. »Niemand hat mir je etwas geschenkt, das er mit
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