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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Autoren: Joan D. Vinge
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Benehmen wussten als Kai selbst. Sein Japanisch klang gestelzt und seltsam, sodass es wahrscheinlich selbst ein Ausländer lächerlich gefunden hätte, auch wenn es sich mit der Zeit verbesserte.
    Die Tatsache, dass Kai überhaupt sprechen konnte, war ein Wunder, dachte Oishi eines Tages, als er neben Mika-
himes
oberster Kinderfrau im Vorzimmer des Audienzsaals darauf wartete, zu Fürst Asano gerufen zu werden. Aber das hielt Kai nicht davon ab, für mehr Ärger zu sorgen als eine Insektenplage.
    Lord Asano hatte versucht, dem Jungen einen Platz unter den Arbeitern und Dienern der Burg zuzuweisen. Er hatte daran gedacht, aus ihm einen Boten zu machen oder vielleicht einen Partner für Kampfübungen, denn in zwei Dingen war der Junge wirklich gut: Er konnte rennen wie der Wind und kämpfen wie ein Teufel. Oishi wandte den Blick ab. Seine Würde verbot ihm, der Kinderfrau zu zeigen, wie sich sein Gesicht in Verwunderung über die bloße Idee verzerrte.
    Fürst Asano war nach Oishis Ansicht die Verkörperung eines perfekten
daimyō
, seine Qualitäten als Anführer waren genauso herausragend wie seine kriegerischen Fähigkeiten und er stand den Schülern des Konfuzius an Weisheit in nichts nach. Vielleicht war es das seltsame Schicksal aller großen Männer, das selbst so weise Fürsten wie der seine auf Ideen kamen, die sogar die Geduld eines Bodhisattva strapaziert hätten.
    Selbst wenn Kai nur ein Halbblut und damit kein echter Dämon war, würde er nie diszipliniert genug sein, um den strikten Gesetzen folgen zu können, denen die Diener der Burg zu folgen hatten, oder selbstsicher genug, um als Bote allein in die Welt geschickt zu werden.
    Nach einem demütigenden Zwischenfall, bei dem der Junge die offiziellen Pflichten eines hitzköpfigen jungen Untergebenen namens Yasuno an sich gerissen hatte, hatte selbst Fürst Asano einsehen müssen, dass Kai für ein Leben in der Burg nicht geeignet war. Ohne das Protokoll zu kennen, hatte Kai versucht, seinem Fürsten und Mika-
hime
beizuspringen – und sie dabei tatsächlich berührt. Yasuno hätte ihn auf der Stelle getötet, wenn Fürst Asano ihn nicht aufgehalten hätte. Oishi bezweifelte, ob Yasuno Kai diesen Gesichtsverlust je vergeben würde.
    Dass Kai sich offenbar für sein Versagen schämte, überraschte Oishi genauso wie der unerschütterliche Glauben seines Herrn in den Jungen. Jeder, der in diese Welt geboren wurde, hatte seinen Platz darin und kannte ihn auch – außer Kai. Er konnte nicht einmal ertragen, innerhalb der Burganlage zu leben, der offene Raum innerhalb der Burgmauern machte ihn ruhelos und nervös. Oishi war der Ansicht, dass der Junge, der ohnehin nur aufgrund der Güte von Fürst Asano noch am Leben war, seine Dankbarkeit hätte zeigen müssen, indem er einfach wortlos verschwand – zurück in den Wald, aus dem er gekommen war.
    Doch Kai schien eine positive Eigenschaft zu entwickeln – nach Oishis Meinung die unwahrscheinlichste von allen: eine bedingungslose Loyalität ihrem Fürsten gegenüber, die nur von seiner Unfähigkeit übertroffen werden konnte, wenigstens ein Mindestmaß an gutem Benehmen zu lernen, das ein Mann brauchte, um sich selbst »Samurai« oder auch nur »Mensch« zu nennen.
    Doch die Tatsache, dass der Junge offenbar nur unter wilden Tieren leben konnte, hatte Oishi auf eine Idee gebracht, und endlich brachte er den Mut auf, sie vorzutragen. Und so hatte Fürst Asano Kai den Auftrag erteilt, die Hundezwinger sauber zu halten. Schließlich hatten sie also doch noch eine geeignete Arbeit für Kai gefunden, und Oishi hatte sich ein weiteres huldvolles Nicken seines Herrn erarbeitet, dem er eines Tages als Burgvogt dienen würde.
    Der Junge versah seinen Dienst zuverlässig und ohne zu klagen, und so gewissenhaft, als sorge er für seine eigene Familie – weshalb Oishi sich fragte, ob er wirklich von Wölfen oder womöglich von einem
kitsune
– einem Fuchs – großgezogen worden war. Er baute eine richtige Beziehung zu ihnen auf, etwas, wozu er mit anderen Menschen nicht fähig war. Selbst die größten und grimmigsten der Akita – der Jagdhunde, die sogar einen Bären in Schach halten oder einem Mann unversehens die Hand abbeißen konnten, wenn man sie provozierte – wedelten mit dem Schwanz und leckten ihm das Gesicht und wurden so handzahm wie Welpen, wenn er in die Zwinger kam.
    Oishi seufzte und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Kai hatte schon lange seine täglichen Pflichten als Reiniger
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