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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit
Autoren: Sergej Lukianenko
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Lippen. Edgar lächelte. Einen Moment lang sah sein Gesicht attraktiv und fast jugendlich aus. Dann knickten ihm die Beine weg, und er landete auf dem Kopfsteinpflaster.
    »Du hast wohl nicht vor, dich zu dematerialisieren?«, bemerkte ich. »Was bist du bloß für eine Lichte?«
    »Ein Ziel kann man auf diesem oder auf jenem Wege erreichen«, brachte Arina hervor. »Die von uns Gegangenen haben bekommen, was sie wollten!«
    Ich schüttelte den Kopf. Sah zum Schloss hinüber. Schloss abermals die Augen.
    »Ich gebe dir dein Handy zurück …«, sagte Arina. »Ich brauche nichts Fremdes.«
    Hinter mir zersprang leise knackend die Minoische Sphäre, die Arina ein Portal eröffnete, das sich nicht verfolgen lassen würde. Sie war eine seltsame Dunkle gewesen, und aus ihr war eine seltsame Lichte geworden …
    Plötzlich hörte ich Musik, leise, schwache Töne. Arina hatte den im Handy integrierten Player eingeschaltet. Zufällig?
    Oder um mir zu beweisen, dass sie weit mehr von Technik verstand, als ich annahm.
     
Raus aus dem Nigredo sind sie fast wie du und ich
    Und sie streifen durch die Welt, und sie wissen’s nicht.
    Spiegelfratzen machen, über sich dann lachen - 
    Raus aus dem Nigredo sind sie, und sie wissen’s nicht.
     
    Ein Dunkler aufgespürt – mit Kreide vollgeschmiert, 
    Ist das Opfer licht – Ruß ihm ins Gesicht!
    Doch was soll man machen? Fast wie du und ich
    Raus aus dem Nigredo sind sie, und sie wissen’s nicht.
     
    Auf den Händen haben sie der Lebenslinien acht, 
    Darum haben sie einander oft schon umgebracht.
    Doch was soll man machen? Fast wie du und ich
    Raus aus dem Nigredo sind sie, und sie wissen’s nicht. 
     
    Richtig, auch dies ist Glück: Wenn es dir gelingt, das Nigredo hinter dir zu lassen. Wer auch immer du bist, ein Dunkler oder ein Lichter – nur so hast du eine Chance, deinen Weg fortzusetzen. Nur durch das Nigredo, Zerfall und Auflösung kann man vorwärtskommen. Zur Synthese. Um etwas Neues zu schaffen. Zum Albedo.
    Die alten Steine auf der Spitze des Hangs warteten.
    Ich streckte mich ihnen entgegen. Zauber, Worte und Rituale brauchte ich dafür nicht. Es genügte zu wissen, wohin ich mich strecken musste und was ich erbitten wollte.
    Merlin hatte immer darauf geachtet, ein Schlupfloch zu lassen. Selbst als er sich auf das Paradies der Anderen vorbereitete, vermutete er, ein gestohlenes Paradies könne sich als Hölle erweisen.
    Gib sie frei, bat ich, ohne zu wissen, an wen ich mich damit wandte. Gib sie bitte frei. Sie haben Böses geschaffen, das Böse war, und Gutes, das sich als Böses erwies. Aber einmal sollte ein Schlussstrich gezogen und alles verziehen werden. Gib sie frei …
    Die Burg auf dem Hügel schien zu seufzen. Die am Himmel kreisenden Vögel kamen tiefer. Ein trüber Dunst in der Luft löste sich allmählich auf. Der letzte Strahl der untergehenden Sonne fiel auf die Stadt – und versprach, mit der Morgendämmerung wiederzukommen.
    Ich spürte, wie sich alle Schichten des Universums zusammenzogen und erzitterten. Sah – fast vor meinen Augen – wie die Steinstelen auf dem Plateau der Dämonen in Usbekistan umkippten. Wie sich die Anderen, die nach ihrer Dematerialisierung ins Zwielicht eingegangen waren, auflösten. Erleichtert und mit einem Hauch von Hoffnung.
    Es atmete sich nun leichter.
    »Papa, kann ich jetzt gucken?«, fragte Nadja. »Wenigstens mit einem Auge?«
    »Ja«, sagte ich. Ich setzte mich hin, denn meine Beine wollten mich nicht länger tragen. »letzt ruht Papa sich kurz aus, und dann geht’s ab nach Hause … Bringst du mich über den kurzen Weg hin?«
    »Ja«, versprach Nadja.
    »Nein, das lassen wir lieber«, korrigierte ich mich plötzlich selbst. »Ich mag die kurzen Wege nämlich nicht. Lass uns fliegen, ja?«
    »Hurra!«, schrie Nadja. »Wir nehmen das Flugzeug! Aber wir kommen doch noch mal hierher, oder?«
    Lächelnd sah ich sie an. Ob es mir gelingen würde, ihr beizubringen, dass man einfache Lösungen und kurze Wege meiden sollte?
    »Bestimmt«, versprach ich. »Du glaubst doch nicht etwa, dass diese Wache in alle Ewigkeit die letzte war?«

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