Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
inzwischen erholt. »Den sogenannten Traum Merlins.«
    »Ach ja, er war ja nicht gerade einfallsreich mit seinen Bezeichnungen«, meinte ich nickend. »Was macht er denn? Dieser Traum?«
    »Er lässt dich träumen.« Edgar breitete die Arme aus. »Arina hat sich schwere Vorwürfe wegen der vielen Opfer beim letzten Mal gemacht. Jetzt wird alles etwas … zivilisierter vonstatten gehen.«
    »Und da haben wir auch schon das erste Flämmchen der Zivilisation«, meinte ich mit einem Blick auf ein Taxi, das vor uns rauchte. Der Fahrer musste eingeschlafen sein, als er gerade um die Ecke bog. Der Wagen war auf den Gehsteig gerast und in ein altes Gebäude geknallt. Am schrecklichsten waren gar nicht der aus der Motorhaube aufsteigende Rauch oder die erstarrten Körper im Wagen. Sondern die mit den reglosen Körpern von Einwohnern und Touristen übersäten Gehsteige. Eine junge Frau hatte es zudem in ihrem Fall vom Gitter einer Heizanlage gegen jene Mauer geschleudert, auf die dann auch das altmodische schwarze Taxi zugerast war. Sie lag im Sterben. Der einzige Trost war der, dass sie den Tod im Schlaf fand.
    Hier handelte es sich nicht um den humanen Morpheus, den man uns in der Nachtwache beibrachte und der den Menschen noch ein paar Sekunden Zeit ließ, bevor sie in Ohnmacht fielen. Der Traum Merlins wirkte blitzschnell. Er war erstaunlich leicht zu lokalisieren. Ohne Weiteres konnte ich die Grenze erkennen, an der die Wirkung des Artefakts nachließ. Zwei
    Erwachsene, die sich darauf zubewegten, fielen zu Boden und sanken in Schlaf. Ein sieben- oder achtjähriger Junge, der ein paar Schritte hinter ihnen zurückblieb, schlief nicht ein und rüttelte jetzt weinend seine starren Eltern. Auf Hilfe durfte er nicht hoffen. Die Menschen, die nicht in die Traumzone gelangt waren, rannten mit erstaunlicher Schnelligkeit davon. Verständlicherweise, denn von außen musste es so aussehen, als habe man verheerendes Giftgas eingesetzt. Trotzdem war der Anblick des schreienden Jungen, der inmitten der fliehenden Masse versuchte, seine Eltern zum Aufstehen zu bewegen, nicht minder tragisch als jener der bei dem Unfall ums Leben gekommenen Frau.
    Mit starrem Blick umrundete Edgar das rauchende Taxi. Ein geeigneter Fluchtmoment – falls ich mich doch zur Flucht entschließen wollte.
    »Und was sagst du dazu?«, fragte ich.
    »Zufällige Opfer sind unvermeidlich«, krächzte Edgar heiser. Die Stimme versagte ihm. »Ich weiß, worauf ich mich einlasse.«
    »Bloß schade, dass sie es nicht wussten«, konterte ich. Und sah mir Edgar durchs Zwielicht an.
    Schlecht. Sehr schlecht. Er war von oben bis unten mit Amuletten behangen, ihm haftete ein Dutzend Zauber an, darüber hinaus zitterten an seinen Fingerspitzen Kampfzauber, die jeden Moment explodieren konnten. Die einsatzbereite Kraft ließ ihn leuchten. Arina und Gennadi sahen genauso aus. Selbst der Vampir hatte sich nicht gegen magische Kinkerlitzchen gesträubt.
    Mit Kraft würde ich sie nicht schlagen.
    In vollständiger Stille fuhren wir an mit schlafenden Körpern bedeckten Gehsteigen und liegen gebliebenen Autos (ich zählte drei brennende Wagen) vorbei zu den ›Verliesen‹. Dort stiegen wir aus dem Auto.
    In der Princess Street hinterm Park war ebenfalls alles erstarrt, doch von irgendwoher ließ sich Sirenengeheul vernehmen. Die Menschen überwinden ihre Panik stets. Selbst wenn sie nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben.
    »Gehen wir.« Edgar schubste mich leicht in den Rücken.
    Wir stiegen die Treppen hinunter. Kurz drehte ich mich zurück, um mir noch einmal anzusehen, wie das Schloss den Dächern der Häuser eine steinerne Krone aufsetzte.
    Gut. Ich hatte es. Man brauchte sich bloß alles durch den Kopf gehen zu lassen und die einzelnen Teile zusammenzusetzen. Merlin hatte sich erstaunlich großmütig gezeigt, als er seine Knittelverse verfasst hatte …
    »Trödel nicht so!«, schrie Edgar. Seine Nerven versagten ihm jetzt. Kein Wunder, schließlich sah er einer Begegnung mit derjenigen entgegen, die er liebte.
    Wir gingen an reglosen Körpern vorbei. Sowohl von Menschen wie auch von Anderen – Merlins Traum machte da keinen Unterschied. Ich entdeckte einige schlafende Inquisitoren. Hinter den Pappwänden erstrahlte es hell von ihren Auren. Sie hatten hier gewartet, eine hübsche Falle gestellt …
    Nur hatte niemand von der Kraft des eingesetzten Artefakts gewusst.
    »Was ist mit der Barriere in der dritten Schicht? Habt ihr die vergessen?«, fragte ich.
    »Nein«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher