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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos
Autoren: Hans Gruhl
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einer hätte schon unter Anklage gestanden. So war noch alles offen.
Schere oder Papier.
    »Es ist auch niemand von hier«,
sagte Tessa mit Bestimmtheit. »Sonst hätte Sie ihn bestimmt längst geschnappt.
Es muß jemand aus England sein.«
    Sandmann sah sie träumerisch an
und spitzte die Lippen. »Vielen Dank für Ihre Wertschätzung«, sagte er.
»Vielleicht fliege ich mal hin zu Ritchie. Glaube aber nicht, daß es nötig sein
wird. Die sind verläßlich. Wenn die eine Spur finden, bleiben sie dran wie die
Bluthunde. Und wenn es hundert Jahre dauert.«
    »Na, in hundert Jahren wird uns
das nicht mehr sehr interessieren«, sagte ich, »aber es ist tröstlich zu
wissen.«
    »Bleiben Sie jetzt hier?«
    »Doch, ich denke. Wir waren ja
erst unterwegs.«
    Tessa stimmte zu. »Wir kümmern
uns erst mal um eine Wohnung oder um ein Haus, je nachdem. Diese kleinen Buden
lösen wir auf. Da haben wir uns lange genug herumgetrieben.«
    »Das leuchtet mir ein«, sagte
Sandmann.
    »Dann werde ich Sie jetzt
verlassen. Sie hören von mir, wenn neue Gesichtspunkte auftauchen. Und Sie
melden sich bitte, wenn Ihnen etwas unangenehm auffällt.«
    »Sofort.«
    Wir tranken den letzten. Ich
brachte Sandmann zur Tür. Tessa wartete eine Weile, bevor sie fragte. »Was
meinst du?«
    »Dasselbe wie in London. Alles
okay. Die kommen nicht dahinter. Wenn sie’s bis jetzt nicht haben, kriegen
sie’s auch nicht.«
    »Schön wär’s, sagte sie.
    Draußen schlich die Dämmerung
vor die Fenster. Es war Mittwoch, der vierundzwanzigste August.

XV
     
     
    Zu meiner Erleichterung wollte
Tessa den Wohnungskram allein in Angriff nehmen. Sie war viel unterwegs in den
nächsten Tagen. Ich saß vorwiegend in meiner Bude, ordnete meine Papiere und
erledigte die anlaufende Post.
    Der 1. September war ein
Donnerstag. Wir wachten bei Tessa auf.
    »Bemerkenswerter Tag«, sagte
ich gähnend. »Bist du dir dessen bewußt?«
    »Wieso?«
    »Heute vor siebenundzwanzig
Jahren fing der Krieg an. Und morgen ist Sedantag. Der ganze Kalender voller
Kriege. Was tust du heute?«
    »Ich muß vormittags zum Anwalt.
Wieder irgendeinen Quatsch unterschreiben.«
    »Also wenigstens Papierkrieg.«
    »Ja. Am Nachmittag will ich das
Grundstück ansehen, das der Walldorfer angeboten hat. Da könntest du eigentlich
mitkommen.«
    »Ich verstehe nichts davon,
aber ich komme gern mit. Hol mich ab in meiner stillen Klause.«
    »Aye, aye, Sir.«
    Um halb zehn war ich in meiner
Wohnung. Ich schloß den Briefkasten auf und nahm die Post mit nach oben. Unter
dem Abtreter lag ein flaches Päckchen.
    Ich hob es hoch.
    Dr. Paul Holland. Kein
Absender. Nichts von pharmazeutischer Industrie. Immerhin, einen Kopf konnte es
nicht enthalten.
    Mir fiel ein, daß manchmal
Plastikbomben auf solche Liebesgabenart verschickt wurden. Das wäre eine
Möglichkeit, Bindfaden, ab, Päckchen abgerissen. Schon krachte es nicht
unerheblich, und man flog mitsamt seinem Büro der Sonne zu. OAS-Methoden. Auf
die Art konnte man mich loswerden.
    Auf gegeben in München.
Gestern. Klar. Eins aus London hätte ich bestimmt ungeöffnet in der Isar
versenkt.
    Blödsinn, verfluchter. Nervös
war ich, nichts anderes. Sollte ich mein Leben lang kein Päckchen mehr
aufmachen wollen? Ich nahm die Schere aus der Mittelschublade. Der Bindfaden
schnipste weg. Das Pappkästchen ließ sich aufklappen. Ich schlug den Deckel
zurück.
    Holzwolle.
    Ein Rieseln ging über meine
Haut. Ich holte Luft, faßte mit den Fingerspitzen in die rauhe Schicht und zog
sie weg.
    Das Rieseln wurde zum
Eisschauer. Ich tauchte in ein mattes Dunkel.
    Traum, dachte ich. Angsttraum.
Ich bin noch bei Tessa. Aufwachen. Aber ich schlief nicht und wachte nicht auf.
Meine Augen öffneten sich.
    Eine große gelbe, langgliedrige
Spinne, die Beine leicht gekrümmt und der Leib starr.
    Nur fünf Beine.
    Die Hand eines Menschen.
    Ein Siegelring steckte auf dem
vierten Finger, und die durchschlagenen Handwurzelknochen schimmerten bläulich
in dem blutigen Stumpf des Handgelenks.
    Das einzig Lebendige an dieser
Hand war der matte Goldschimmer des Siegelrings.
    W. H. — Walter Holland.
    Mein Bruder Walter.
    Mir wurde schlecht. Ich lief
zum Bad. Als ich zurückkam, war ich ruhiger. Es war alles ganz klar. Der Plan
war gescheitert. Ich war gescheitert.
    Ich setzte mich wieder. Ich war
auf alles gefaßt gewesen, vom Stoffesel bis zur Sprengladung. Auf das nicht.
Wenn die Hand hier war, dann war Walter tot. Wie bei Mara. Aber jetzt spielte
jemand mit, den ich nicht
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