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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II
Autoren: Karl May
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Felswand hin, bis ich die nördliche Ecke derselben erreichte. Dort setzte ich mich nieder, um zu warten.
    Meine Absicht war, den auf das Plateau führenden Weg auszukundschaften, was bei der jetzigen Dunkelheit nicht nur erfolglos sein mußte, sondern mir überdies gefährlich werden konnte. Es war zwar nicht wahrscheinlich, aber doch möglich, daß jemand sich auf dem Weg befand und mich kommen hörte; in diesem Fall war vorauszusehen, daß mein Spaziergang einen für mich nicht sehr angenehmen Verlauf nehmen werde.
    Da, wo ich saß, lagen mehrere Steine von verschiedener Größe. Auch das war ein Grund für mich, nicht weiter zu gehen, denn wenn es auf meinem Weg mehr solche Felsstücke gab, so mußte das beabsichtigte Schleichen in der Dunkelheit zu einem immerwährenden Stolpern und Stürzen werden.
    So wartete ich wohl eine Stunde lang. Es herrschte tiefe Stille rings umher. Die erst so bleichen Sterne bekamen Glanz; ich konnte weiter sehen als vorher und stand eben im Begriff, von meinem Sitz aufzustehen und weiterzugehen, als ich Schritte hörte, welche näher kamen. Ich nahm natürlich an, daß der Nahende vorüber wolle, und duckte mich hinter einem der erwähnten Felsstücke nieder. Die Schritte kamen näher, gerade auf mich zu; ich sah die Gestalt eines Indianers, welcher nicht weit von mir stehen blieb und sich umsah. Als er niemand erblickte, ließ er einen halblauten Ausruf der Enttäuschung hören, kam noch näher und setzte sich auf einen Stein, welcher nicht weiter als drei Schritte vor mir lag.
    Das war fatal, im höchsten Grad fatal! Die Steine lagen so, daß ich nicht zurückkonnte, ohne gehört zu werden. Vorwärts konnte ich auch nicht, dann da hätte ich gerade an ihm vorüber gemußt. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als geduldig zu waren, bis er wieder ging.
    „Uff!“ hörte ich den Indianer nach langer Pause halblaut rufen. Er stand auf und trat einige Schritte vor. Es kam jemand – es war die Jüdin! Ich wurde Ohrenzeuge einer höchst interessanten Unterhaltung. Im Verlauf derselben nannte er sich ‚Schlange‘. Er war also der Inhaber des Zeltes, welches ich gesehen hatte, und der Anführer der hier liegenden dreihundert Yumas, ein Unterhäuptling des ‚Großen Mundes‘. Wie ich hörte, war sein englischer und spanischer Wortschatz ein für einen Yuma nicht gewöhnlicher; die Jüdin wußte nicht den zwanzigsten Teil davon und verstand kein Wort indianisch. Aus diesem Grund konnten sie grammatikalisch einander das nicht sagen, was sie sagen wollten; aber sie verstanden einander doch, wenn es auch hier und da ein Mißverständnis gab, über welches man hätte aufschreien mögen. Wo Worte nicht ausreichten, wurde das Zeichen zu Hilfe genommen; kurz und gut, sie verstanden sich trotz aller sprachlichen Hindernisse, und ich verstand sie auch.
    Er nahm sie, als sie kam, bei der Hand, führte sie zu dem Stein, auf welchem er gesessen hatte, und sagte:
    „Schon glaubte die ‚Listige Schlange‘, daß die weiße Blume nicht kommen werde. Warum ließ sie ihn warten?“
    Er mußte seine Frage mehreremale wiederholen und ihr ein anderes Gewand geben, ehe sie dieselbe verstand und darauf antwortete:
    „Melton hielt mich ab.“
    Nun verstand er sie nicht; sie wiederholte ihre Worte und erklärte sie durch Zeichen.
    „Was tut er jetzt?“ fragte die Schlange.
    „Er schläft“, antwortete sie weniger durch das Wort, als durch die Pantomime.
    „Meint er, daß die weiße Blume schlafe?“
    „Ja.“
    „So ist er ein Tor, welcher betrogen wird, weil er selbst betrügen will. Die weiße Blume darf nicht glauben, was er sagt; er belügt sie und wird nicht halten, was er ihr versprochen hat.“
    Jedem Satz folgte, da keiner sogleich verstanden wurde, eine mühevolle Pantomimenerklärung, wobei sie nach Worten suchten, welche gegenseitig bekannt waren. Mir machte dies Spaß; den Leser aber würde es langweilen, wenn ich die Unterhaltung so wiedergeben wollte, wie sie in Wirklichkeit geführt wurde; sie soll darum auf dem Papier so glatt verlaufen, als ob die beiden der notwendigen Redeteile vollständig mächtig gewesen wären.
    „Weißt du denn, was er mir versprochen hat?“ fragte sie.
    „Ich denke es mir. Hat er nicht gesagt, daß er dir große Reichtümer geben will?“
    „Ja. Er meint, daß er durch dies Bergwerk bald eine Million verdient haben werde. Dann soll ich seine Frau werden, Diamanten, Perlen und allerlei kostbares Geschmeide haben, ein Schloß in der Sonora und einen
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