Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
daß der unvermeidliche deutsche Gelehrte mit seinem Diener ihnen wieder nachgefolgt und dabei abermals in die Hände des Gambusino gefallen sei.
    Dieser letztere kam am frühen Vormittag mit Antonio Perillo, den acht Indianern und seinen drei Gefangenen angeritten und machte an dem Rand der Schlucht halt. Er führte, sobald die Maultiere entlastet waren, sofort die Arrangements aus, welche er für nötig hielt. Die Habgier trieb ihn, sofort eine Untersuchung der Schlucht vorzunehmen, und da die Gefangenen doch auch Wert für ihn hatten und er sie den Indianern nicht anvertrauen wollte, so mußten sie mit in die Schlucht genommen werden. Man gab ihnen also die Füße frei, daß sie hinabklettern konnten. Unten aber, und zwar im Hintergrund angekommen, wurden ihnen die Füße wieder gefesselt; man band sie an Steine, damit sie sich auch nicht einmal durch Wälzen von der Stelle bewegen konnten. Dann entfernten sich der Gambusino und Perillo, allerdings nicht weit, um ihre Nachforschungen zu beginnen. Die Indianer waren oben zurückgeblieben, da ihnen verboten worden war, die Schlucht zu betreten.
    Zufälligerweise waren die Gefangenen gerade nach der vorspringenden Felsenspitze, in deren hinterem Winkel der Eingang zum Stollen lag, gebracht und an drei von den vier erwähnten großen Steinen gebunden worden. Sie lagen natürlich an der Erde, Doktor Morgenstern genau auf dem Steingries, welcher die verborgene Maultierhaut bedeckte. Als sie ihre Peiniger so weit entfernt sahen, daß sie von ihnen nicht gehört werden konnten, sagte Fritz Kiesewetter:
    „Da sind wir nun bei unserem Ziele anjelangt, aber als Jefangene. Wenn der Vater Jaguar schon da ist, werden wir uns bald wieder auf unsere freien Füße befinden.“
    „Das gebe Gott!“ seufzte Engelhardt. „Es handelt sich um unser Leben, denn ich bin überzeugt, daß diese Schufte uns ermorden werden, sobald sie das Lösegeld empfangen haben.“
    Er riß vor Grimm an seinen Fesseln und zerrte an dem Stein, an welchem er hing. Dabei zog er denselben nach und nach von der Stelle, an welcher er lag.
    „Das glaube ich nicht“, antwortete der Doktor. „Sie haben uns schon einigemal gefangengenommen, ohne einen Mord, lateinisch Homicidium genannt, an uns zu begehen.“
    „Weil uns der Vater Jaguar immer rasch herausjeholt hat“, erklärte Fritze. „Läßt er uns diesmal sitzen, so ist's oft und manchmal um uns jeschehen.“
    „Gefangen zu sein, während ich meinen Sohn in der Nähe weiß?“ knirschte der Bankier. „An Händen und Füßen gefesselt und an einen Stein gebunden, wie ein wildes Tier!“
    Er zog wieder an dem Stein, welcher auf einer Ecke der Haut lag und jetzt weiter verrückt wurde, so daß dieselbe nachgab. Sie begann sich langsam unter Doktor Morgenstern zu senken. Darum meinte dieser: „Ich scheine weich zu liegen, obgleich meine Unterlage aus Steinen besteht, denn sie gibt nach. Ich sinke tiefer.“
    „Und ich wollte, ich könnte auch sinken, tief in die Erde hinein!“ fuhr Engelhardt grimmig fort. „Hätte ich nur eine Hand frei, ich wollte mich bald meiner Fesseln entledigen, und dann wehe den Halunken!“
    Er zog, zerrte und riß, daß der Stein immer weiter rutschte.
    „Jeben Sie sich keine Hoffnung hin!“ antwortete Fritze. „Wen dieser Jambusiono fesselt, der kommt nicht los; ich kenne das. Nicht wahr, Herr Doktor, wir haben das erlebt?“
    „Leider ja“, antwortete der Gefragte. „Wir sind sogar noch schlimmer daran gewesen als jetzt. Wir haben schon am Baum gehangen und – Herr – Himmel – Jemineh –!“
    Er schrie vor Schreck laut auf, denn Engelhardts Stein war jetzt vom Fell heruntergerutscht; dieses gab nach, und der kleine Gelehrte fuhr mit den Beinen und dem Oberleib in das Loch.
    „Wat is denn los! Wohin wollen Sie verreisen?“ fragte Fritze. „Soll dat etwa eine Abfahrt in die Unter- oder Urwelt sein?“
    „Scherze nicht!“ jammerte der Kleine. „Ich stecke in einem fürchterlichen Loch, lateinisch Puteus genannt; ich schwebe über einer entsetzlichen Tiefe, lateinisch Vorago oder Barathrum geheißen, und wenn der Strick zerreißt, so bin ich verloren!“
    Der kleine Gelehrte wog wohl nicht mehr als neunzig Pfund, und da der Stein, an welchem er mit dem Strick befestigt war, weit über die Schwere eines Zentners hatte, so wurde er von diesem festgehalten. Dennoch zeterte er so laut, daß der Gambusino und Perillo es hörten. Sie kamen herbei und waren nicht wenig erstaunt, ihren Gefangenen halb in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher