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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
Autoren: Karl May
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durch seine Bescheidenheit, sein anständiges, ja nobles Betragen und seine ruhige, Achtung einflößende Haltung würdig macht.
    Wenn es ihm einmal nicht gefällig ist, die vom Herrn verlangte Arbeit zu verrichten, so sagt er, daß er nur zu der oder der Stunde unter den oder den Umständen an das Werk gehen könne. Wenn dann der Herr einige Unzufriedenheit zeigt, so verlangt der Gaucho, ohne aber grob zu werden, seinen Lohn, setzt sich auf sein Pferd und sucht sich eine andere Estancia, deren Besitzer minder gebieterisch ist. Obgleich er die Bequemlichkeit liebt, findet er stets Arbeit, weil er verständig ist und die Pflege des Viehs, welches den Hauptreichtum jener Gegenden bildet, ganz vorzüglich versteht.
    So ist der Gaucho, welchen man nicht mit den zwar kühnen, aber gewissenlosen Abenteurern verwechseln darf, welche Frauen, Mädchen, Pferde, kurz, alles entführen und stehlen, was ihnen gefällt, und unbesorgt in die Zukunft hinein leben.“ – – –
    So stand geschrieben, was ich las. Ich war am Vormittag in Montevideo angekommen und kannte also das Land und seine Bewohner nicht im mindesten. Dennoch wagte ich, einigen Zweifel gegen die Wahrheit des Gelesenen zu hegen.
    Zunächst besteht die Bevölkerung, von welcher die Rede war, nicht nur aus Gauchos, Indianern und Nachkommen der Spanier. Es sind auch Engländer, Deutsche, Franzosen und Italiener zu Tausenden, ja Zehntausenden vorhanden, die Schweizer, Illyrier und viele andere gar nicht gerechnet.
    Mit der Art und Weise, in welcher der Gaucho den Lasso gebrauchen sollte, war ich gar nicht einverstanden. Welcher Reiter, der zum Beispiel einen halb wilden Stier einfangen will, wird den Lasso sich am Schenkel befestigen! Der Stier würde ihn unbedingt vom Sattel reißen und zu Tode schleppen.
    Ich war bei erster Gelegenheit so frei, mich nach dem Verfasser dieser Auslassung zu erkundigen. Er hieß Adolphe Delacour und war Redakteur des Patriote Français zu Montevideo gewesen. Nun, dieser Herr mußte die Verhältnisse besser kennen als ich. Ich mußte mich begnügen, abzuwarten, ob ich seine Ansichten bestätigt finden werde, was aber glücklicherweise nicht der Fall war.
    Übrigens war es nicht nötig, mich länger mit der Lektüre zu beschäftigen. Der Pampaswind hatte nachgelassen, und auf den Straßen entwickelte sich das rege Leben einer bedeutenden Hafenstadt von neuem. Ich wollte mir dasselbe betrachten und zu diesem Zweck einen Ausgang machen.
    Eben setzte ich den Hut auf, als es an meine Tür klopfte. Ich rief herein und zu meinem großen Erstaunen trat ein fein nach französischer Mode gekleideter Herr ein. Er trug eine schwarze Hose, eben solchen Frack, weiße Weste, weißes Halstuch, Lackstiefel und hielt einen schwarzen Zylinderhut in der Hand, um welchen ein weißseidenes Band geschlungen war. Dieses Band, von welchem zwei breite Schleifen herabhingen, bracht mich unerfahrenen Menschen auf die famose Idee, einen Kindtaufs- oder Hochzeitsbitter vor mir zu haben. Er machte mir eine tiefe, ja ehrerbietige Verneigung und grüßte:
    „Ich bringe Ihnen meine Verbeugung, Herr Oberst!“
    Er wiederholte seinen tiefen Bückling noch zweimal in demonstrativ hochachtungsvoller Weise. Wozu dieser militärische Titel? Hatte man hier in Uruguay vielleicht dieselbe Gepflogenheit wie im lieben Österreich, wo die Kellner jeden dicken Gast ‚Herr Baron‘, jeden Brillentragenden ‚Herr Professor‘ und jeden Inhaber eines kräftigen Schnurrbartes ‚Herr Major‘ nennen? Der Mann hatte so ein eigenartiges Gesicht. Er gefiel mir nicht. Darum antwortete ich kurz:
    „Danke! Was wollen Sie?“
    Er schwenkte den Hut zweimal hin und her und erklärte:
    „Ich komme, mich Ihnen mit allem, was ich bin und habe, zur Verfügung zu stellen.“
    Dabei richtete sich sein Auge von seitwärts mit einem scharf forschenden Blick auf mich. Er hatte keine ehrlichen Augen. Darum fragte ich:
    „Mit allem, was Sie sind und haben? So sagen Sie mir zunächst gefälligst, wer und was Sie sind.“
    „Ich bin Señor Esquilo Anibal Andaro, Besitzer einer bedeutenden Estancia bei San Fructuoso. Euer Gnaden werden von mir gehört haben.“
    Es kommt zuweilen vor, daß der Name eines Menschen bezeichnend für den Charakter desselben ist. Ins Deutsche übersetzt, lautete derjenige meines Besuchers Äschylus Hannibal Schleicher. Das war gar nicht empfehlend.
    „Ich muß gestehen, daß ich noch nie von Ihnen gehört habe“, bemerkte ich. „Da Sie mir gesagt haben, wer und was
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