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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
Autoren: Karl May
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schmeichelhaft für mich. Als ich vor mehreren Jahren nach Mexiko kam, hatte ich mich in Beziehung auf diese Sprache der grausamsten Redebrecherei schuldig machen müssen. Aber das Leben ist der beste Lehrmeister. Während der langen Wanderung durch die Sonora und den Süden von Kalifornien hatte ich mich nach und nach in die Lenguaje Española finden müssen, ahnte aber bis heute nicht, daß ich gar ein solcher Sancho Pansa geworden sei.
    „Und endlich“, fuhr er fort, „warum tragen Sie den Bart genau in der Weise, wie er von den Bewohnern unserer Banda oriental getragen wird?“
    „Weil ich, wenn ich reise, mich den Gewohnheiten der betreffenden Bevölkerung anzubequemen pflege und nicht überall und immer als Fremder erkannt werden will.“
    „Nun, so tragen Sie eben die Schuld daran, daß ich Sie für einen anderen hielt. Kein Ausländer hat das Recht, uns nachzuahmen. Man kennt eine gewisse Art von Tieren, welche diesen Nachahmungstrieb in hohem Grad besitzen, und jeder verständige Mann wird sich hüten, mit denselben verglichen zu werden.“
    „Für diesen Wink bin ich Ihnen unendlich dankbar, Señor; doch bitte ich Sie dringend, die Lektion nicht etwa noch weiter auszudehnen. Bis jetzt habe ich dieselbe gratis entgegengenommen; geben Sie sich aber noch weitere Mühe, so würde ich mich gezwungen sehen, Ihnen ein Honorar auszuzahlen, welches Ihren Verdiensten angemessen ist.“
    „Señor, Sie drohen mir?“
    „Nein. Ich mache Sie nur aufmerksam.“
    „Vergessen Sie nicht, wo Sie sich befinden!“
    „Und ziehen Sie selbst in Betracht, daß Sie nicht in einem Zimmer Ihrer Hazienda stehen, sondern in einem Raum, welcher gegenwärtig mir gehört! Und nun mag es genug sein. Bitte, machen Sie mir das Vergnügen, Ihnen lebewohl sagen zu dürfen!“
    Ich ging zur Tür, öffnete dieselbe und lud ihn durch eine Verbeugung ein, von dieser Öffnung Gebrauch zu machen. Er blieb noch einige Augenblicke stehen und starrte mich groß an. Es erschien ihm jedenfalls als etwas ganz Ungeheuerliches, von mir hinauskomplimentiert zu werden. Dann schoß er schnell an mir vorüber und hinaus, rief mir aber dabei zu:
    „Auf Wiedersehen! Man wird mit Ihnen abzurechnen wissen!“
    Er schüttelte die Faust drohend gegen mich und eilte dann die Treppe hinab. Das war meine erste Unterredung mit einem Eingeborenen, ein Anfang, von welchem ich keineswegs erbaut sein konnte. Freilich, irgendeine Befürchtung zu hegen, das fiel mir nicht ein. Der Mann hatte mich beleidigt und war deshalb von mir hinausgewiesen worden, etwas so Einfaches und Selbstverständliches, daß gar keine Veranlassung vorhanden war, weiter daran zu denken. Auch hatte dieser Haziendero auf mich gar nicht den Eindruck gemacht, als ob ich ihn weiter zu beachten oder gar zu fürchten hätte.
    Bevor ich ging, mir die Stadt anzusehen, nahm ich die paar Empfehlungsschreiben her, welche ich mitgebracht hatte. Ich bin prinzipiell gegen diese Art und Weise, fremden Leuten Pflichten aufzuerlegen oder ihnen gar zur Last zu fallen. Man wird selbst in seinen Handlungen und Bewegungen sehr gehindert. Aus diesem Grund mach ich, wenn ich reise, meine Bekanntschaften lieber aus freier Hand, bewege mich und wähle ganz nach meinem persönlichen Geschmack und gebe etwaige Briefe erst kurz vor der Abreise ab. Hundertmal habe ich da beobachtet, wie befriedigt die Betreffenden davon waren, daß es nun keine Zeit mehr zu gesellschaftlichen Ansprüchen und Forderungen gab.
    Heute hatte ich vier solche Schreiben in der Hand. Eins derselben war von dem Chef eines New Yorker Exporthauses an seinen Kompagnon, welcher die Filiale dieses Geschäftes in Montevideo leitete. Ich hatte Gelegenheit gehabt, dem Yankee einen nicht ganz unwichtigen Dienst zu leisten, und von ihm das Versprechen erhalten, daß er mich seinem Teilhaber auf das allerbeste empfehlen werde. Dieses eine Schreiben mußte ich sofort abgeben, da der Wechsel, dessen Betrag mein Reisegeld bildete, von dem Kompagnon honoriert werden sollte.
    Die drei andern Schreiben steckte ich wieder in die Brieftasche; dieses eine legte ich auf den Tisch oder vielmehr, ich wollte es auf den Tisch werfen. Es traf mit der Kante auf und fiel auf die Diele herab. Als ich es aufhob, sah ich, daß das dünne Siegel zersprungen war und die Klappe des Couverts offen stand. In dieser Weise konnte ich den Brief unmöglich übergeben. Ich mußte ihn wieder schließen und zwar so, daß man nicht sehen konnte, daß er offen gewesen war; ich wäre sonst
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