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331 - Verschollen in der Zeit

331 - Verschollen in der Zeit

Titel: 331 - Verschollen in der Zeit
Autoren: Manfred Weinland
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in der Praxis auszutesten, wo Verbesserungen nötig sind und wie sie aussehen könnten. Als Erstem seiner Art gebe ich dem Roboter einen Eigennamen: Prom-01. Abgeleitet von Prometheus, der der Sage nach Menschen und Tiere aus Lehm erschuf. Bei mir ist der Rohstoff moderner: Metall.
    Die Roboter müssen Furcht erregen. Ich will, dass die Menschen bei ihrem bloßen Anblick in Angst und Demut erstarren. Also gestalte ich sie vorwiegend groß und kantig. Dass sie alle eine andere Gestalt besitzen werden, ergibt sich schon aus der Verfügbarkeit der Materialien; ich kann die Teile nicht industriell fertigen, sondern muss nehmen, was ich finde.
    Gegenwehr will ich künftig schon im Keim ersticken. Dann muss ich auch nicht mehr bis zum Äußersten gehen. Abschreckung vermeidet Todesopfer. In der Theorie zumindest.
    Ich bemerke erneut, wie mich der Zwischenfall, bei dem so viele Menschen starben, immer noch beschäftigt. Aber ich erkenne auch, dass ich versuche, mir selbst etwas vorzumachen: Ich verspüre keine wirkliche Reue. Ich will nur die Stimmen in mir zum Verstummen bringen, die mich auf dem Weg zum Unmenschen sehen. Das bin ich nicht! Ich wehre mich nur meiner Haut! Wer mich in Frieden lässt und meine Ziele nicht torpediert, hat von mir nichts zu fürchten!
    Parallel mit dem Roboterbau treibe ich die Optimierung meines stählernen Korsetts voran, das mich vor allzu schneller Ermüdung bewahrt und mich auch größere Distanzen in überschaubaren Zeiträumen meistern lässt. Manchmal komme ich mir vor wie eine große Spinne, die die Ruinen durchkämmt und mit ihrer Beute in ihr Nest zurückkehrt.
    Prom-01 verfügt über keine Hör-/Sprechfunktion. Die Befehle muss ich manuell, also per Hand, auf einem Display an der Rückseite des Torsos eintippen. Er führt sie dann ohne das erforderliche Maß an Genauigkeit aus. Die Sehwerkzeuge sind noch nicht optimal auf die Extremitäten und ihr Tun abgestimmt, und so verbringe ich eine Woche nur damit, diesen ersten »groben Klotz« in seinen ohnehin beschränkten Möglichkeiten zu verfeinern. Nach dieser Woche funktionieren die Bewegungsabläufe in dem vorgegebenen bescheidenen Rahmen zufriedenstellend.
    Ich lerne aus den Schwachpunkten. Ich sauge begierig alles in mich auf, was mir hilft, bei der zweiten Generation nicht die gleichen Fehler zu wiederholen, und so gelingt mir Prom-02 schon beträchtlich besser. Er sieht besser, sein Handeln ist von einem Mehr an Geschick geprägt, und es ist mir gelungen, ihn über ein entsprechendes Modul akustisch zu steuern.
    Prom-02 ist fähig, simple Tätigkeiten zu verrichten, so zum Beispiel das Tragen von mittelschweren Gewichten und das Übereinanderstapeln selbiger. Er bewegt sich auf Ketten, die über Gleitlager laufen. Statt zwei hat er drei Greifarme und seine Akkulaufzeit beträgt eine Stunde, dann muss er wieder aufgeladen werden.
    Auf seiner Basis entwickele ich Prom-03, bei dem ich in der Hauptsache die Beweglichkeit an die eines Menschen anpasse. Statt Kettenrädern kommen erstmals Gelenkglieder zum Einsatz, die, wie mein Exoskelett, von Servomotoren betrieben werden, die die Funktion von Sehnen und Muskeln nachahmen.
    Prom-03 erscheint auf den ersten Blick wie ein Rückschritt, denn plötzlich habe ich gegen ganz neue Probleme zu kämpfen. Doch die Herausforderung stachelt meinen Erfindungsgeist nur an, sodass bereits mit der vierten Generation ein Roboter entsteht, der in der Lage ist, in der weiten Fabrikationshalle neben mir herzustaksen und eine bescheidene Konversation zu führen. Ich mache mir einen Spaß daraus, einen Herrscher aus der Epoche der Renaissance zu mimen, spreche von mir selbst im Pluralis Majestatis. Eine der wenigen Heiterkeiten, die ich mir erlaube.
    Prom-05 ist fast identisch mit Prom-04, nur dass ich in seine Arme erstmals Waffen integriere. Ich forciere die Bewaffnung, weil mich von einem Tag auf den anderen wieder eine Ahnung beschleicht, die nichts Gutes verheißt. Bislang war auf dieses Gefühl immer Verlass. Und so fürchte ich, dass die ruhigen Tage – Tage der Forschung und inspirierender Erfindungen – sich ihrem Ende zuneigen.
    In den folgenden Tagen sperre ich die Augen weit auf, wenn ich meine Werkstatt verlasse. Verstohlen halte ich Ausschau nach Hinweisen darauf, dass mich meine Ahnung auch diesmal nicht trügt.
    Irgendwo, so vermute ich, lauern die Schlangenmenschen auf mich. Sie haben sich Zeit gelassen, mich zu finden. Oder mich einfach nur in Sicherheit gewiegt.
    Während ich meine
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