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327 - Mit eisernem Willen

327 - Mit eisernem Willen

Titel: 327 - Mit eisernem Willen
Autoren: Michelle Stern
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unvermittelt Merle wieder auftauchte. Xij schöpfte einen Funken Hoffnung. Hatte das Halbblut etwa nur gute Miene zum bösen Spiel gemacht und war nun gekommen, um sie zu befreien?
    Doch die nächsten Worte der angeblichen Freundin zerstörten diese Illusion. »Du weißt wirklich nicht, was hier vor sich geht, hm?«, fragte Merle.
    »Wie könnte ich? Alles, was ich seit gestern erfahren habe, waren Schmerz und Verrat.«
    »Für dich ist es Verrat«, sagte Merle. »Für uns ist es lebensnotwendig.«
    »Was meinst du damit? Hör auf, in Rätseln zu sprechen, verdammt!«
    »Ich rede von Ha’tuu. Es geht nur um Ha’tuu.«
    Irrte sich Xij, oder lag da Bedauern in Merles Blick? »Wer oder was ist Ha’tuu?«, fragte sie. »Doch nicht der Häuptling, oder?«
    Merle schüttelte den Kopf, ihre Augen wurden feucht. »Du musst verstehen«, sagte sie. »Wenn ich das nicht tue, wird irgendwann auch meine Familie sterben. Kuxetlan wird einen nach dem anderen töten lassen. Das muss ein Ende haben.«
    »Wovon zum Teufel redest du?«
    »Es tut mir leid.« Merle nahm Xijs Gesicht behutsam in ihre Hände und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. Xij war so perplex, dass sie es zuließ. Dann ging Merle davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    »Merle!«, rief Xij. »So warte doch!«
    Trommeln erklangen vom Platz mit dem Blutaltar, kurz darauf spielte das Grammophon klassische Musik. Die kratzigen Töne wurden vom Wind herangetragen, eine makabere Melodie des Todes.
    Xij lief ein Schauer über den Rücken. Zuerst geisterte der Name Richard Wagner durch ihren Kopf, doch dann kam sie darauf, was da gespielt wurde: Rachmaninows »Die Toteninsel«.
    Wie passend, dachte Xij.
    Im nächsten Moment gefror ihr Blut zu Eis.
    Denn aus den Tiefen des Bunkers kam ein dumpfes Grollen.
    ***
      Scootland
    Aruula wusste nicht, was sie antrieb. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, immer wieder. Es hatte zu regnen begonnen, doch das störte sie kaum. Leise platschten silberne Fäden auf Blätter, tropften an Ästen und Stämmen hinab. Das Schwert hing auf ihrem Rücken, schwer wie der Stützbalken, den sie im einstürzenden Keller von Canduly Castle aufgefangen hatte. Ihr Körper war am Ende seiner Kraft, trotzdem schaffte Aruula es, noch einen weiteren Schritt voranzugehen. Und noch einen.
    Sie trat aus dem Wald. Vor ihr tauchte Rulfans Burg auf wie die Erfüllung eines Traums. Sie sehnte sich nach einem heißen Bad, nach den Annehmlichkeiten dort, einem warmen weichen Bett, heißem Tee und nach den Freunden, die sie vermisste. Obwohl sie nur einen Tag fortgewesen war, fühlte sie sich, als würde sie von einer langen Reise zurückkehren.
    Ein grauer Schatten kam durch die Silberschleier auf sie zu, Hufschlag klang auf. »Aruula!« Rulfan winkte ihr vom Rücken eines Horsays. »Aruula, da bist du ja! Wudan sei Dank!« Er stieß in ein Horn. Bald schon tönten weitere Hörner in den Highlands.
    Myrial und Huul kamen angeritten, dicht gefolgt von Turner, Myrials Bruder, und Rulfans Sohn Juefaan, die sich ein Reittier teilten.
    Der Albino hatte sein Horsay neben ihr gezügelt und hielt ihr die Hand hin.
    »Du fragst nicht, wo ich war?«, fragte Aruula.
    Er lächelte. »Das kannst du uns später in Ruhe erzählen. Erst einmal bin ich froh, dich gefunden zu haben. Lebendig und unverletzt.«
    Aruula griff seine dargebotene Hand und ließ sich auf das Horsay hinaufziehen. Sie unterdrückte einen Schmerzlaut, als sie in die richtige Position kam. Mit geschlossenen Augen hielt sie sich an Rulfan fest. Ihr war übel vor Schmerz, aber es störte sie nicht mehr. Sie hatte ihr Schwert zurück.
    Wie aus der Ferne hörte sie die Fragen von Myrial und Turner, die zusammen mit dem Regen auf sie einprasselten, doch Rulfan gebot ihnen Zurückhaltung. »Ihr seht doch, wie erschöpft Aruula ist. Wartet, bis wir zu Hause sind.«
    Zu Hause, dachte Aruula. Ich bin noch lange nicht zu Hause ...
    Gemeinsam ritten sie zur Burg hinauf. Rulfan half Aruula hinein und verfrachtete sie auf eine weiche Couch. »Der Tee kommt gleich. Myrial, bist du so lieb und bereitest ein heißes Bad vor?«
    Seine Ehefrau nickte; sie sah besorgt aus. Doch bevor sie gehen konnte, hob Aruula einen Arm. »Warte«, sagte sie. »Ich will zuvor eure dringendste Frage beantworten. »Ich wurde ausgeraubt, als ich im Wald trainierte. Aber ich habe die beiden Räuber verfolgt und mir mein Schwert zurückgeholt.«
    »Mit deiner Verletzung?« Myrial sah sie verständnislos an, wollte wohl zu einer
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