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324 - Eine neue Chance

324 - Eine neue Chance

Titel: 324 - Eine neue Chance
Autoren: Michelle Stern
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wieder Ruhe auf den Muschelstraßen. Drei Tote gab es zu beklagen, mehrere Verletzte wurden versorgt.
    Gilam’esh gab die Schüler bei den Jungmüttern ab und wandte sich danach Ei’don zu, der ihm wie ein stummer Schatten folgte. »Wie hast du das gemacht?«
    Ei’don spreizte die Finger und zeigte seine schimmernden Schwimmflossen. Wie Jindra-Algen gaben sie ein goldenes Licht ab. »Das weiß ich nicht. Ich wollte, dass sie gehen, also gingen sie.«
    Gilam’esh konnte es noch immer nicht fassen. Was für eine Macht , dachte er schaudernd. Wenn er einen letzten Beweis gebraucht hätte, dass Ei’don einst der Herrscher der Meere werden würde, er hätte ihn soeben erhalten.
    ***
    Beim Flächenräumer
    » Clarice!« Vogler war zurückgelaufen, stand dicht an der Bruchkante und beugte sich darüber. Letzte Schneeflocken umwirbelten ihn.
    Aruula und Rulfan kamen vorsichtig auf ihn zu. Obwohl der Sturm abflaute, war das Eis noch immer tückisch glatt und konnte sie jederzeit ausrutschen und in den Spalt stürzen lassen.
    Zaghaft berührte Aruula Voglers Arm. »Bitte, Vogler, mach einen Schritt zurück.«
    Der Marsianer rührte sich nicht. Er starrte in den Spalt hinab, wo über zehn Meter tief der verdrehte Körper von Clarice lag, halb vom Schnee bedeckt.
    Aruulas Augen wurden feucht. Sie hatte die Marsianerin gemocht. Auch wenn Clarice in einer Welt der Technik gelebt hatte, die ganz anders war als Aruulas eigene, hatte sie sich mit der intelligenten, tatkräftigen und warmherzigen Frau immer gut verstanden und in ihr eine Freundin gefunden. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    »Vogler«, kam ihr Rulfan von der anderen Seite zu Hilfe. »Tritt zurück.«
    Der Marsianer zögerte. Er beugte sich noch ein Stück weiter vor. Nur wenige Zentimeter trennten ihn vom Tod.
    Vielleicht will er sterben , dachte Aruula schaudernd und traurig zugleich. In Voglers Gesicht standen Liebe und Schuld.
    »Du kannst nichts dafür«, flüsterte Aruula mit rauer Stimme. »Sie ist gestürzt. Der Streiter hat sie wahnsinnig gemacht.«
    Vogler drehte ihr langsam den Kopf zu. Tränen liefen über seine Wangen und gefroren in den Wimpern. »Nein«, sagte er kaum hörbar. Der Wind riss die Worte davon und Aruula musste sich anstrengen, sie zu verstehen. »Ich war es. Der Streiter hat mich benutzt. Der Mars...« Vogler schlug die Hände vor das Gesicht. Er sackte auf die Knie und brach zusammen, dabei rutschte er nach vorn.
    Rulfan und Aruula griffen beide blitzschnell zu und zerrten ihn zurück. Sie schleppten ihn von der Bruchkante fort. Vogler wehrte sich nicht. Er hing wie ein Sack in ihren Armen.
    »Der Mars liegt in Trümmern«, schluchzte Vogler. »Ich bin ein Waldmensch. Alle Waldmenschen sind verrückt geworden! So wie ich! Ich bin ein Mörder!« Er lehnte den Oberkörper zurück und schrie. Entsetzen, Trauer und Wut lagen in diesem Schrei, der weit über die Ebene hallte.
    Die Emotionen waren so stark, dass Aruula gar nicht anders konnte, als zu lauschen und zumindest einen schwachen Teil des Wahnsinns zu fühlen, der über Vogler kam und ihn zu zerreißen drohte.
    Aruula kauerte sich neben ihn, die Kälte und das Eis ignorierend. »Auch das ist nicht deine Schuld«, sagte sie leise, um irgendetwas zu sagen. Sie spürte, dass er Worte brauchte. Sie waren Nähe und Menschlichkeit. »Der Streiter hat das getan, nicht du, Vogler. Er allein ist verantwortlich für das Leid. Er ist der wahre Mörder. Verstehst du das?«
    Rulfan kniete sich auf Voglers andere Seite und schloss den Marsianer in seine Arme. Einige Augenblicke sah Aruula zu, wie der Waldmann haltlos schluchzte, dann stand sie auf. Sie hätte Vogler gern mehr Zeit für seinen Schmerz gelassen, aber das durfte sie nicht.
    »Wir müssen weiter. Wenn wir in der Eiswüste bleiben, erfrieren wir.«
    Seitdem der Streiter nicht mehr über ihren Geist herrschte, nahm sie die unzähligen Nadelstiche wahr, die sich in ihren Körper bohrten. Ihre Füße fühlten sich taub an. Kein gutes Zeichen. Aruula bewegte probehalber die Zehen in den Stiefeln und spürte pochende Schmerzen.
    »Lasst mich«, bat Vogler. »Ich will bei Clarice bleiben.«
    »Das bedeutet sterben«, sagte Aruula hart. »Das werden wir nicht zulassen. Wir sind deine Freunde.«
    Rulfan zog ihn hoch. »Komm schon, Vogler.«
    »Gib nicht auf«, fügte Aruula hinzu. »Clarice hätte es nicht gewollt, das weiß ich. Sie war eine Kämpferin.«
    Vogler wurde von Krämpfen geschüttelt, aber er stand auf und ließ sich von Rulfan
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