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323 - Die Hölle auf Erden

323 - Die Hölle auf Erden

Titel: 323 - Die Hölle auf Erden
Autoren: Manfred Weinland
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diesen Zeiten nicht gut gelitten in Nihon. – Was nicht auf dieses Kloster zutrifft!«, fügt er schnell hinzu. »Hier ist jeder willkommen, der lautere Absichten hat.«
    Grao runzelte Hermons Stirn. »Was bedeutet ›in diesen Zeiten‹?«
    »Du weißt nicht, dass wir uns im Krieg befinden?« Der Alte lächelte flüchtig. »Ach, wie dumm von mir – natürlich nicht.«
    »Welches Jahr schreiben wir?«, fragte Grao weiter.
    Der Mönch antwortete nicht gleich, sah ihn nur nachdenklich an. Dann endlich erhob er wieder seine Stimme.
    »Es ist merkwürdig. Die junge Frau, die ich vorhin erwähnte – sie stellte fast dieselben Fragen und beherrschte unsere Sprache ebenso perfekt wie du. Aber ich hatte nicht den Eindruck, als hätte sie ihr Gedächtnis verloren. Was verbindet euch beide?«
    »Wie sah sie aus?« Es konnte es sich fast nur um Xij handeln – und die Beschreibung des Alten bestätigte Graos Vermutung.
    »Und, kannst du dich jetzt an sie erinnern?«
    »Ich müsste sie sehen. Wo ist sie?«
    »Das weiß ich leider nicht. Sie verschwand in die Nacht, und ich musste mich um ein heiliges Feuer kümmern.«
    Sie suchen nach mir. Gefunden haben mich allerdings andere.
    » Du wirkst äußerlich völlig unverletzt«, sagte der Mönch. »Sobald du dich etwas ausgeruht hast, werde ich wieder nach dir sehen. Bis dahin...«, er deutete auf das schlichte Bett. »… leg dich hin und erhole dich.«
    Grao wusste immer noch nicht, was er von der ungebrochen freundlichen Fassade des Alten zu halten hatte. »Darf ich fragen, wer mich gefunden hat?«
    »Ein Mädchen. Ihr Name ist Mahó. Sie verständigte ihre Brüder, die hier im Tempel leben. Die wiederum gruben dich aus.« Shi Kao lächelte. »Wirklich erstaunlich, wie gut dein Befinden ist. Du hast keine Schramme abbekommen. Du bist ein Glückskind.« Er winkte Grao zum Abschied.
    Nachdem die Tür zugefallen war, hörte der Daa’mure tuschelnde Stimmen, die sich kurz darauf aber ebenso entfernten wie die neuerlichen Schrittgeräusche.
    Die ganze Begegnung hinterließ einen mehr als schalen Nachgeschmack. Insbesondere wegen des verschwundenen Supermagneten. Um eine Antwort hatte sich Shi Kao geschickt herumgedrückt. Um nicht lügen zu müssen?
    Grao kaufte dem Alten die zur Schau gestellte Unbedarftheit nicht ab. Und ebenso wenig glaubte er, dass ihm seine Amnesie abgekauft worden war.
    Als die Mönche mich herbrachten, müssen sie meine wahre Erscheinungsform gesehen haben, dachte er. Warum ist der Alte mit keinem Wort darauf eingegangen?
    Grao’sil’aana entschied sich, mit dem Schlimmsten zu rechnen, und das hieß im aktuellen Fall: Man wiegte ihn zwar in Sicherheit, sah aber wohl eine potenzielle Gefahr in ihm. Oder meinten die Mönche es am Ende doch ehrlich, ganz egal, wer oder was er letztlich war? Er hatte größte Mühe, das zu glauben.
    Falls die Mönche ein falsches Spiel mit ihm trieben, blieb die Frage, warum sie ihn nicht gefesselt hatten.
    Grao stand auf und huschte zur Tür. Als er sie zu öffnen versuchte, gelang dies ohne Probleme.
    Sie haben nicht mal abgeschlossen.
    Sein angeborenes Misstrauen geriet nachhaltig ins Wanken. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, wie schwach er auf den Beinen war, wie ermattet und zerschlagen er sich immer noch fühlte.
    Aber aus dem Tempel zu fliehen, war ohnehin keine Option. Wenn ihm die Mönche das Magtron abgenommen hatten, würde er es nur hier finden können. Andererseits: Wie sollte er Mefju’drex und Xij finden, wenn er weiter tatenlos hier herumsaß?
    Dann lege ich mich eben hin, dachte er in einem Anflug von Galgenhumor. Er streckte sich auf dem Bett aus, schloss die Augen... und war binnen weniger Atemzüge eingeschlafen.
    ***
    »Als wir ihn fanden, sah er ganz anders aus!«, behauptete Kaito weiterhin und mit allem Nachdruck.
    »Was meinst du damit?« Shi Kao bemühte sich um Verständnis, aber er wusste auch, was er gesehen hatte. Und wie sehr es den Schilderungen seiner Glaubensbrüder widersprach. »Vielleicht war seine Haut nur verschmutzt und wirkte wie Schuppen...«, begann er.
    »Nein, Meister! Der Mann, den wir herbrachten, war ein völlig anderer! Yuuto und die anderen Helfer sahen ihn auch. Der jetzt in der Kammer ist, sieht aus wie ein ganz normaler Mensch aus westlichen Ländern! Der andere war nackt und besaß grünblaue Schuppen.«
    Shi Kao winkte Kaito und seine Ordensbrüder, die mitgekommen waren, von der Tür fort. Sie gehorchten mit verdrossenen Mienen, und je weiter sie sich von der Kammer
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