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323 - Die Hölle auf Erden

323 - Die Hölle auf Erden

Titel: 323 - Die Hölle auf Erden
Autoren: Manfred Weinland
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schlafen?« Sie presste die Lippen aufeinander, und ihr Blick glitt über den Toten. »Ich hätte ihn gerne kennengelernt. Ich habe ja sonst nur euch. Woher er nur kam...?«
    Kaito zog sie von dem Leichnam weg. »Du weißt, wie sehr ich dich liebe, Schwesterchen. Und du weißt auch, dass du Respekt vor den Älteren haben musst. Als dein erstgeborener Bruder sage ich dir: Geh jetzt heim und lege dich schlafen. Egal, ob es Tag oder Nacht ist.«
    Noch während er sprach, schob er sie in Richtung der elterlichen Behausung. Ohne ein weiteres Wort ging sie langsam und wie in Gedanken versunken davon. Die Götter mochten wissen, was sie in diesen Momenten zu sehen glaubte.
    Seltsam genug, dass sie den Fremden mit der Schuppenhaut gesehen hatte. Er musste großen Eindruck auf sie gemacht haben, dass sie ihn einließ in ihre eigene Welt...
    ***
    Als Yuuto schließlich in Begleitung anderer Mönche eintraf, kauerte Kaito immer noch neben dem reglosen Körper, dessen Aussehen ihn in den Bann schlug. Je länger er ihn studierte, desto mehr setzte sich die Überzeugung in ihm durch, dass der Tote ein schreckliches Geheimnis barg.
    Aber welches?
    Die Ankunft seiner Glaubensbrüder riss ihn aus seinen Überlegungen. Sie führten eigene Lampen mit sich, was in dem unübersichtlichen Terrain ratsam war, auch wenn sich am Horizont bereits ein erster Silberstreif abzeichnete. Nicht mehr lange und der neue Tag würde anbrechen.
    Das Erschrecken der Neuankömmlinge war groß, obwohl Yuuto sie vorbereitet haben musste. Nachdem sie sich gefasst hatten, packten sie jedoch entschlossen mit an, falteten eine mitgebrachte Trage auseinander und legten den Leichnam darauf. Zu viert – jeweils ein Mönch an jedem Ende der Tragestangen – transportierten sie ihn zum Tempel, wo sie ihn in einem unbenutzten Quartier ablegten.
    »Der Obere soll entscheiden«, sagte Kaito, »sobald er von seiner Wacht zurück ist.« Er trat an den reglosen Körper heran, um ihn ein letztes Mal zu mustern. Die Faszination, die von der absonderlichen Gestalt ausging, war ungebrochen. Vielleicht würde das Oberhaupt der kleinen Gemeinschaft Rat wissen. Bis dahin mussten sie sich gedulden.
    Kaito wollte sich mit den anderen abwenden, als es geschah. Aus den Augenwinkeln registrierte er eine Bewegung, sein Kopf ruckte herum, sein Blick fand zurück zu dem Toten. Ein Stöhnen entrang sich Kaitos Brust. Die anderen, ebenfalls im Gehen begriffen, wurden aufmerksam, blieben stehen, schauten zurück – und aus Kaitos Stöhnen wurde ein ganzer Chor von raunenden Stimmen.
    Die linke Seite des Schuppigen schien plötzlich zu verschwimmen, als wäre sie aus Wachs geformt, auf das extreme Hitze einwirkte. Etwas löste sich aus seinem Körper und fiel zu Boden.
    Kaito zweifelte an seinem Verstand. Er blinzelte. Doch beim nächsten Hinschauen hatte sich die »Wachshaut« wieder verfestigt und alles schien normal. Der Körper lag reglos wie zuvor.
    Yuuto trat zu ihm. »Hast du das auch gesehen?«
    »Ich... ich bin nicht sicher...«, stammelte Kaito. Aber der Gegenstand, der nun neben dem Schuppenmann lag, machte allzu deutlich, dass es passiert war.
    Yuuto wollte ihn am Ärmel seiner Kutte zurückhalten, doch Kaito machte sich los, trat vor und bückte sich. Das Ding, das sich aus dem toten Körper – war er denn tot, wenn er sich noch bewegen konnte? – gefallen war, sah aus wie ein X des lateinischen Alphabets, groß wie ein Teller und zwei Finger hoch, mit einer oben aufgesetzten Halbkugel im Zentrum.
    Wie in Trance ging er darauf zu und hob es auf.

4.
    Als Shi Kao den Tempel in den frühen Morgenstunden erreichte, fand er seine Glaubensbrüder in heller Aufregung vor.
    »Gut, dass du da bist«, wurde er von einem der Mönche begrüßt, den Shi Kao schon vor Jahren zusammen mit seinem jüngeren Bruder in die Gemeinschaft aufgenommen hatte.
    »Kaito – ich verlange eine Erklärung. Bruder Haruki kam zu mir, um mich noch vor der vereinbarten Zeit abzulösen und die Wacht für mich zu übernehmen. Aber entweder wusste er nichts Genaues, oder er hatte Gründe, mich nicht vollständig zu informieren. Also, was ist los? Hattet ihr Besuch in meiner Abwesenheit? Macht der Kommandeur Ärger?«
    Für einen Moment blitzte es in den Augen seines Gegenübers auf. Doch Kaito verneinte, und dann schilderte er, was seine Schwester Mahó abseits des Tempels kurz nach dem jüngsten Erdstoß gefunden und wie sie Yuuto und ihn verständigt hatte.
    »Ein Fremder mit schuppiger Haut, der sich
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