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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem
Autoren: Karl May
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Heimat entgegenging.
    Auch die Deutschen schieden nur schwer von Ho-tsing-ting. Der Dicke war ihnen sehr lieb geworden, und als sie von ihm gingen, war es in der festen Überzeugung, daß sie ihn im Leben niemals wiedersehen würden. Doch Gott führt die Seinen wunderbar.
    Sie hatten zunächst die Sorge gehegt, daß er nicht der Mann sei, ein solches Etablissement mitten in China ohne Schaden weiter zu leiten. Aber bald überzeugten sie sich, daß er bei all seiner Güte und scheinbaren Unbeholfenheit ein sehr tüchtiger und energischer Geschäftsmann sei. Seine Befangenheit erstreckte sich nur auf private Verhältnisse. Als Kaufmann suchte er seinen Meister. Das beruhigte sie in Beziehung auf seine Zukunft.
    Er weinte helle Zähren, als sie nun auf den Pferden vor seinem Haus hielten und Abschied von ihm nahmen.
    „Ik kaan niet met rijden; ik moet hier blijven“, sagte er. „Ik kaan mij niet helpen, ik moet snuiven en snuiten. Reizt met God, mijne lieven, goeden vrienden, en denkt somtijds aan uwen zwakken Aardappelenbosch – Ich kann nicht mitreiten; ich muß hierbleiben. Ich kann mir nicht helfen, ich muß schnauben und schneuzen. Reist mit Gott, meine lieben, guten Freunde, und denkt manchmal an euren schwachen Aardappelenbosch!“
    Er hatte sie ein Stück zu Pferde begleiten wollen, was aber von ihnen zurückgewiesen worden war. Das hätte nur die Wehmut verlängert und den Abschied erschwert.
    In dem Dorfe, in welchem die Frau und die Töchter Yen-kin-lis wohnten, gab es abermals Abschied zu nehmen. Der Hoei-hoei, welchem sie so viel zu verdanken hatten, war von ihnen aufgefordert worden, mit nach Deutschland zu gehen, hatte sich aber nicht dazu entschließen können. Nun mußten sie von ihm scheiden.
    „Wäre ich reich oder wenigstens wohlhabend, so würde ich ihn belohnen“, sagte Liang-ssi.
    „Womit?“
    „Mit einer Summe, die es ihm ermöglicht, seine Lage zu verbessern und sich von den Aufrührern loszusagen.“
    „Wie hoch würde diese Summe sein?“
    „Oh, hätte ich das Geld, so würde ich ihm hunderttausend Li geben!“
    Diese Summe klingt ungeheuer, beträgt aber nach deutschem Geld nur 641 Mark. Der Methusalem griff in eine geheime Tasche seines Rockes, zog einen Beutel hervor und entnahm demselben eine Anzahl englischer Goldstücke. Diese gab er dem Chinesen, indem er sagte: „Das ist etwas mehr als hunderttausend Li. Geben Sie es ihm!“
    Liang-ssi machte ein Gesicht, als ob er eine Unmöglichkeit habe möglich werden sehen.
    „Herr“, rief er aus, „das ist ja eine ganz entsetzliche Summe!“
    „Für den Hoei-hoei wird sie hinreichend sein.“
    „Und die wollen Sie ihm schenken?“
    „Nein.“
    „Aber Sie sagten doch, daß er sie erhalten soll!“
    „Von Ihnen, aber nicht von mir. Ich leihe sie Ihnen.“
    „Aber wissen Sie denn, daß ich sie Ihnen jemals wiedergeben kann?“
    „Ja.“
    „Wohl weil mein Vater ein gutes Geschäft in Deutschland besitzt?“
    „Nicht allein deshalb. Hunderttausend Li sind in Deutschland nicht viel. Dort schlachtet zum Beispiel mancher Fleischer einen Ochsen, welcher so viel kostet, und es gibt Pferde, welche mehr als eine Million Li kosten. Ihr Vater würde mir das Geld also zurückerstatten können. Aber Sie haben doch auch hier in China Geld.“
    „Wir? Hier?“
    „Ja. Sie wissen es nicht, und ich habe bisher nicht davon gesprochen. Ihr Vater ist hier sehr reich gewesen.“
    „Das war er. Aber man hat ihm bei der Verhaftung alles abgenommen.“
    „Nein. Er hatte sein Geld sehr klug beiseite gebracht, und als er entflohen war, vergrub er es.“
    „Ist das wahr? Hat er es Ihnen gesagt? Wissen Sie, wo es liegt?“
    „Ja.“
    Die Brüder, denn Jin-tsian stand auch dabei, waren Feuer und Flamme geworden. Bei dem Chinesen hat kein Wort so guten Klang wie die eine Silbe ‚Geld‘.
    „Aber ob es nicht indessen ein andrer, ein Fremde gefunden hat!“ rief Liang-ssi.
    „Es liegt noch da.“
    „Wissen Sie das so genau?“
    „Ich könnte es beschwören!“
    „O Himmel, o Welt, o Erde! Und das sagen Sie so ruhig! Müssen Sie da nicht vor Freude springen?“
    „Nein. Es ist recht gut, wenn man Geld besitzt; aber es gibt noch höhere Güter. Man kann reich sein an Ehre und Ruhm, an Zufriedenheit, an Glück, an Gesundheit, ja an noch viel höherem. Ich habe den Ort aufgesucht und mich überzeugt, daß das Geld sich noch da befindet.“
    „Wann?“
    „Auf unsrer Herreise.“
    „Wo?“
    „Oben in den Bergen, als wir in dem Sië-kia einkehrten
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