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314 - Exodus

314 - Exodus

Titel: 314 - Exodus
Autoren: Michelle Stern
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Stirn. Sein ehemaliger Herr hatte ihn gebeten, hinaufzufliegen, dem Streiter entgegen. Dass der Sil es als Bitte formuliert hatte, bedeutete ihm viel. Er war kein Diener mehr, sondern frei.
    Thgáan hatte diesen Weg gewählt, er flog aus eigenem Antrieb in der eisigen Kälte des Weltraums. Selbst ihm setzte die Temperatur von minus zweihundertsiebzig Grad zu, aber eine Weile würde er noch durchhalten. Seine Beschaffenheit verhinderte ein Erstarren, und er brauchte auch keine Luft wie die Erdbewohner. Sein Leib war sogar stabiler als der eines Daa’muren, gezüchtet für einen Krieg, den es nicht mehr zu führen gab.
    Nun existierte nur noch der Streiter, und der wollte den Wandler – den Herrn seiner ehemaligen Herren – vernichten. Thgáan spürte die Gedanken der dunklen Entität. Stück für Stück wühlte sich der Streiter in ihn, stellte ihm drängende Fragen, aber noch hatte er es nicht geschafft, vollends in die kristalline Gehirnstruktur des Lesh’iye vorzudringen.
    Noch konnte Thgáan die Rufe und Fragen ignorieren, doch sie wurden immer drängender. Je näher der Streiter kam, desto anstrengender wurde es für ihn, der mentalen Gewalt zu widerstehen.
    In weiten Kreisen bewegte er sich ohne Anstrengung in der Mondexosphäre. Die Oberfläche des nördlichen Pols kam rasch näher. Krater und mäandernde Rillen tauchten unter ihm auf. Ein Schatten, der nicht in die karge Landschaft passte, lockte ihn an, nachzusehen. War dies das Ziel, das der Sil beschrieben hatte?
    Thgáan glitt dem Schatten entgegen. Ein Gebäude, wie von Erdbewohnern geschaffen, lag unter ihm. Sechs Module umgaben eine gut acht Meter hohe Kuppel, in der ein großes Loch klaffte. Fast die Hälfte der Außenhülle fehlte. Laboratorien und Mannschaftsräume lagen sichtbar unter ihm. Irgendetwas musste im Inneren explodiert sein.
    Thgáan näherte sich weiter dem zerstörten Gebilde und entdeckte vier menschliche Körper. Sie lagen vor dem Gebäude neben einem seltsamen Fahrzeug, aufgereiht zu einer Linie. Schwere Monturen drückten die Erdlinge auf den Boden, doch keiner von ihnen trug einen Helm, wie es ein solch zerbrechliches Wesen in dieser Umgebung wohl müsste.
    Mehrere Minuten dachte Thgáan darüber nach, was da passiert sein konnte, dann gab er es auf und folgte weiter seinem Auftrag. Bald würde der Streiter hier sein und ihn erneut nach dem Wandler befragen. Schon seit Beginn des Fluges ahnte er, dass diese Aufgabe sein Ende bedeutete. Aber er war bereit.
    ***
    »Der Streiter erreicht den Zielpunkt in T minus fünf.« Takeos sonst so ruhige Stimme klang angespannt. Selbst der Maschinenmensch schien nicht ganz immun gegen die nervenaufreibende Situation zu sein.
    Matt stand durch und durch verkrampft vor der Zieloptik. Hinter ihm ging Xij auf und ab wie ein gefangenes Tier. »Wir schaffen das«, sagte sie immer wieder. »Wir schaffen das.«
    Matt fühlte sich durch ihre Unruhe nur noch nervöser. »Kannst du bitte noch mal nach dem Energiewabenstand sehen?«, fragte er einer Eingebung folgend. Eine Aufgabe würde Xij ablenken.
    »Okee«, murmelte sie und steuerte das entsprechende, etwa zwanzig Meter entfernte Paneel an.
    Als sie außer Hörweite war, wandte sich Takeo zu Matthew um. »Die Ladung der Energiewaben liegt bei siebzig Prozent. Eine Überprüfung vor Ort ist überflüssig.«
    »Ich weiß«, sagte Matt rasch. »Aber lassen wir Xij trotzdem nachsehen. Was macht die Koordination der Zieloptik auf den Ursprung in Ostdoyzland und die Mondstation?«
    Takeo zögerte kurz, ehe er antwortete. »Eine Koordination an sich kann nichts machen . Sie besteht einfach.«
    »Sag mir einfach, wie die Lage ist, Miki«, bat Matt, nun selbst auf und ab gehend, als wäre Xijs Verhalten ansteckend.
    »Die Koordination ist abgeschlossen. Alles im grünen Bereich. Das System ist voll funktionsfähig, bis auf die verminderte Wabenenergie. Es gibt keine Fehlermeldungen. Alles, was noch getan werden muss, ist, den Auslöser zu drücken. Ich werde dir den optimalen Zeitpunkt dafür nennen, Matt. Bitte beruhige dich. Du wirkst ungewohnt nervös.«
    Matt unterdrückte ein Auflachen. Ungewohnt nervös? Es ging um das Fortbestehen der Erde, seines Planeten!
    Erst in diesen Minuten begriff er das ganze Ausmaß von dem, was auf dem Spiel stand. Es war etwas ganz anderes, abstrakt zu wissen, dass die Erde untergehen konnte, wie in den Monaten zuvor. In diesen Augenblicken spürte er es. Er erlebte die Bedrohung mit vernichtender Intensität. Die Angst
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