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313

313

Titel: 313
Autoren: B Tewaag
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er nicht mal abgetastet. Ich trage nach wie vor alle Klamotten und bin irritiert. Eigentlich hatte ich mit einer komplizierten Leibesvisitation gerechnet. Stattdessen soll ich dem Beamten folgen.
    »Was ist mit meinen Taschen?«, frage ich.
    »Was soll damit sein?«
    »Tragen Sie die oder ich?«
    »Ich trag doch nicht Ihre Taschen.«
    Es ist nur ein blödes Missverständnis. Ich wusste nicht, ob ich die Taschen schon anfassen darf, wo ich noch nicht richtig gefilzt worden bin. Ich hätte ja ein halbes Pfund Heroin im Arsch haben können. Andererseits ist es nicht mein Problem, wenn sie mich nicht kontrollieren. Ich bin der Häftling, die sind die Vollzugsbeamten. Ich muss ihren Job nicht besser machen als sie selbst, denke ich und merke, was mir bald noch häufiger auffallen soll: Ich denke zu viel.
    Wieder ertönt dieses üble Hupen, die nächste Panzertür öffnet sich, und wir stehen im Innenhof des Gefängnisses, im Freien.
    Ich hatte eher so etwas wie eine Ritterburg erwartet, verbaut, mit engen Höfen und kleinen Winkeln, schwarz, dunkel und dreckig. Aber die Anstalt ist übersichtlich und funktionell. Erinnert eher an eine Kaserne. Es sind mindestens dreihundert Meter bis zum nächsten Gebäude, einem großen Backsteinbau, der richtig schön aussieht. Daneben stehen kleinere Häuser mit Gittern vor den Fenstern. Drumherum erstreckt sich eine Wiese mit großen Bäumen und kleinen graubraunen Steinen.
    Als ich durch den Gitterzaun nach draußen schaue, sehe ich die Kameraleute, die gerade ihren Kram zusammenpacken und mich nicht mitkriegen, die Deppen.
    Ich laufe mit dem Beamten über den Hof. Das Pflaster ist kreuz und quer mit schmalen Betonwegen durchzogen. Auf die Wege sind verschiedenfarbige Pfeile gepinselt, die ich nicht verstehe. Auf einmal hoppeln die graubraunen Steine auf der Wiese davon. Eine Gruppe Kaninchen, die in der Wintersonne gechillt haben. Sonst ist da niemand, kein Mensch in dieser Geisterstadt, nur der Beamte und ich, wie zwei Männer im Wilden Westen.
    In den folgenden drei Stunden schaffe ich es lediglich nur weitere zweihundert Meter tiefer in den Anstaltskomplex hinein.
    In der sogenannten Kammer muss ich meine beiden Taschen vor einem Beamten leeren. Alles, was ich mitbringe, wird aufgeschrieben. Klamotten, Bücher und der aufwändige Kalender, den mir meine Freundin gebastelt hat, werden genehmigt. Der Haarschneider wird verplombt, damit ich ihn nicht aufschrauben und etwas darin verstecken kann. Ich hatte gehofft, dass sie mir den iPod und die Playstation lassen, aber beides wird bis zur Entlassung beschlagnahmt. Ich hab nicht mal ein Radio, und den Fernseher mit DVD -Player, den ich mir extra gekauft habe, bekomme ich erst zurück, wenn er ebenfalls verplombt ist. So war ich mit zwei Taschen reingegangen, mit einer kam ich wieder aus der Kammer raus.
    Danach muss ich wieder über den Hof zur Hauptzentrale: Drogenkontrolle und Alkoholtest. Diese Hauptzentrale sieht aus, als hätte einer die Sternenzerstörerbrücke aus »Star Wars« direkt in den Knast gebeamt: massivste Türen, schusssicheres Glas und auf dem Dach überall Antennen. Ich muss mich immer noch nicht ausziehen, das wundert mich jetzt wirklich sehr. Der Beamte schaut nur zu, wie ich in den Becher pisse. Vor ein paar Jahren hätte der Kontrollsteifen noch bei allem aufgeleuchtet, was das Betäubungsmittelgesetz so hergibt, außer Heroin, das hab ich nie genommen. Jetzt zeigt er gar nichts an. Der Beamte wirkt enttäuscht.
    »Das hätte ich jetzt nicht gedacht, Herr Stein.«
    »Was dachten Sie denn?«, frage ich.
    »Ich denke, damit haben Sie sich einen Gefallen getan.«
    Ich möchte, dass es jetzt mal losgeht. Es ist unglaublich, wie lange du in einer JVA darauf warten musst, bis endlich ein langer, schlaksiger Beamter kommt, so eine völlig peinliche Erscheinung mit hochgegelten Haaren, und dich auf die Zelle bringt. Wir stehen in Haus C, meinem neuen Wohnort. Ein ewig langer Gang zieht sich einmal durch, in der Mitte befindet sich ein Panzerglaspavillon, in dem Beamte sitzen und das Geschehen überwachen. Ich stehe am Anfang des Ganges und verschaffe mir einen ersten Überblick. Es gehen vierzehn Zellen auf jeder Seite des Ganges ab. An der Decke Neonröhren, am Boden das hässlichste Linoleum, das man sich nur denken kann, Hellgrau mit Schwarz gesprenkelt. Durch ein Fenster am Ende des Ganges scheint die Sonne. Der Boden ist blitzblank. Wir gehen bis zur allerletzten Zelle auf der rechten Seite, die 108, massive
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