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312 - Die dunkelste Stunde

312 - Die dunkelste Stunde

Titel: 312 - Die dunkelste Stunde
Autoren: Oliver Fröhlich
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geschnitten war. Ozzy hatte das stets für übertrieben gehalten. Bis heute, da er sie das erste Mal sah!
    Hinter ihr auf der Bühne hing ein riesiges Bild, das die Künstlerin aus der Zeit vor dem Kometen zeigte. Ozzy musste sich eingestehen, dass er sich geirrt hatte. Seliin sah dieser Frau nicht nur ähnlich, sie war diese Frau!
    Niemand wusste, woher sie gekommen war. Jede Show begann sie mit der Erklärung, dass sie hier gestrandet sei, zurückgelassen von ihrem Gott. »Was bleibt mir also, als mich selbst vergöttern zu lassen?«
    Auch wenn keiner verstand, was sie damit sagen wollte, jubelte das Publikum voller Inbrunst, verstummte aber schlagartig, sobald sie den ersten Ton sang.
    Der Stern namens Seliin überstrahlte alle anderen Künstler, und ihre Shows wurden so bekannt, dass Davy Cooper horrende Eintrittspreise verlangen konnte. Auch Ozzy hatte eisern gespart, bis er endlich die nötigen Tzipps beisammen hatte.
    Während er nun an seinem Tisch saß, sich an einem Butt festhielt und mit dem Fuß den Takt auf dem von Sägespänen bedeckten Boden mittippte, musste er zugeben, dass es das wert war. Seliin stellte jeden in den Schatten, der je in Vegas aufgetreten war.
    Ozzy sah Davy Cooper an einer Säule neben der Bühne lehnen und zufrieden grinsen. Vermutlich zählte er im Geist die Einnahmen.
    Seliin wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, so viel Gefühl legte sie in ihre Lieder.
    » Far across the distance « , sang sie.
    » And spaces between us
    you have come
    to show you go on. «
    Doch plötzlich brach sie ab.
    Im ersten Augenblick glaubte das Publikum, der Aussetzer gehöre zur Show, und sang die folgenden Zeilen einfach selbst. Aber als es den verwirrten Ausdruck in Seliins Gesicht bemerkte, begriff es, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Ihre Züge... zerflossen.
    Ozzy fiel kein besseres Wort für das ein, was sich auf der Bühne abspielte. Die Sängerin wirkte wie eine schmelzende Kerze. Ihre Miene verwandelte sich in eine ebene Fläche, in der es aber weiter arbeitete. Die Kleidung verwuchs mit ihrem Körper, veränderte sich wie ihr Gesicht.
    Und dann stand da oben nicht mehr Seliin, sondern ein... grünblau schimmerndes Echsenwesen mit Brüsten!
    Ozzy wurde bewusst, dass gleich etwas Schreckliches geschehen würde. Er wollte aufspringen und hinausrennen, aber er konnte sich nicht rühren. Der Schock hatte ihn versteinert.
    Nach und nach verstummten die Zuschauer. Einen absurden Augenblick lang sang nur noch ein einzelner Mann; falsch, laut und im Alkoholüberschwang. Als endlich auch er begriff, stürzte seine Stimme ab und verendete in einem kläglichen Krächzen.
    Dann herrschte Ruhe. Sekundenlang war nicht einmal mehr ein Räuspern oder Füßescharren zu hören. Bis Davy Cooper brüllte: »Wer bist du und was hast du mit Seliin gemacht?«
    Ozzy erschien die Fragestellung reichlich dämlich. Besser hätte sie lauten müssen: Was bist du?
    »Der Oqualun [1] ist nicht hier!«, brüllte das Ding, das einst Seliin gewesen war, mit veränderter Stimme ins Publikum. Dann stieß es sich ab und flog auf Davy Cooper zu. Der war so perplex, dass er nicht ausweichen konnte. Die Kreatur begrub den Chef des SEESAWS PALLAS unter sich, packte seinen Kopf mit beiden Händen und drehte ihm das Gesicht ohne erkennbare Anstrengung auf den Rücken.
    Im nächsten Augenblick brach Panik aus! Alle schrien, sprangen auf, liefen ungeordnet durcheinander.
    Renn! , brüllte sich Ozzy innerlich zu, doch er vermochte die Augen nicht von dem Gestaltwandler zu lösen, der von Coopers Leiche aufsprang und nun wieder die Erscheinung Seliins annahm. Sie wühlte sich mit unmenschlicher Kraft durch die Tischreihen. Stühle und Gläser flogen umher, genauso wie menschliche Körper.
    Von hinten kam ein Mann angerannt. Er hielt ein langes Messer erhoben. Hätte er kurz vor dem Zustoßen nicht einen Kampfschrei ausgestoßen, hätte der Gestaltwandler ihn vielleicht nicht bemerkt. So jedoch fuhr er herum und packte den Messerarm des Angreifers am Handgelenk.
    Dennoch konnte er nicht verhindern, dass ihm die Klinge in die Schulter drang. Augenblicklich zerfloss Selinns Gestalt wieder zu der des Echsenwesens.
    Es quoll kein Blut aus der Wunde. Stattdessen schoss eine Dampfwolke wie unter hohem Druck hervor! Der Dampf hüllte die Kämpfenden für einen Augenblick ein. Als er sich verzog, sah Ozzy Blut. Viel Blut. Die Kreatur hatte dem Mann das Messer bis zum Heft in die Brust gerammt.
    Trotz all der Schrecken war Ozzy
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