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311 - Der Weg des Bösen

311 - Der Weg des Bösen

Titel: 311 - Der Weg des Bösen
Autoren: Susan Schwartz
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vielarmiges Wesen mit unzähligen Tentakeln in ihren Gehirnwindungen herumstochern und auch noch den letzten Rest Energie und Lebenswillen aus ihr herauszerren. Sie musste sich zwingen, aufzustehen und ins Bad zu gehen, und irgendwie schaffte sie es auch zur Arbeit.
    Ihre Vorgesetzte wollte sie wieder nach Hause schicken, weil sie fast durchsichtig vor Blässe war und insgesamt, wie sie feststellte, einen verstörten Eindruck machte. Aber Afra blieb, sie würde sich daheim nicht besser fühlen, und sie hoffte darauf, dass die Arbeit sie ablenken würde.
    Und so kam es auch. Nach einiger Zeit hörte das Zittern ihrer Hände auf, und ihr war auch innerlich nicht mehr so kalt. Die Nähe ihrer Kollegen tröstete sie. Sie ging mit ihnen zum Mittagessen, wo sie dann sehr, sehr lange das Messer auf ihrem Tablett anstarrte.
    ***
    »Guten Morgen, Sandfloh!« Kesri wurde jeden Morgen auf die gleiche Weise geweckt: Mandro stürmte in ihr Zimmer, riss ihr die Bettdecke weg, kitzelte sie und schrie ihr die Begrüßung in die verschlafenen, lärmempfindlichen Ohren.
    »Nur noch ’ne halbe Stunde!«, beschwerte sie sich jedes Mal. Denn Mandro weckte sie wirklich immer viel zu früh. Kesri war noch ein kleines Mädchen, und der Kindergarten fing erst viel später an. »Du bist so gemein!« Wenn sie schon Kraft gehabt hätte, dann hätte sie sich gerächt, ihm das Kissen nachgeworfen oder so. Aber sie konnte ja noch nicht einmal richtig die Augen aufmachen.
    Schlaftrunken taumelte sie in ihr eigenes kleines Badabteil, wo sie schon vom Computer erwartet wurde. Der erinnerte sie daran, sich die Zähne zu putzen – man hatte nicht viel mehr zu tun, als die Zähne zu blecken und an die Maschine zu halten, dann ging es ganz automatisch –, das Gesicht zu waschen und all das andere ziemlich unwichtige Zeug. Da Kesri aber wusste, wie ungehalten Mutter werden konnte, wenn sie nicht gründlich war, nahm sie die Prozedur jeden Morgen auf sich und war fest entschlossen, diesen ganzen Mumpitz abzuschaffen, sobald sie erwachsen und selbstständig war.
    Die Sachen lagen schon auf ihrem Bett, als sie zurück ins Zimmer kam, und das verärgerte sie jeden Morgen aufs Neue. So klein war sie nicht mehr – sie konnte sich allein anziehen, also konnte sie auch allein aussuchen, was sie tragen wollte!
    Wie jeden Morgen focht Kesri einen inneren Kampf, ob sie den Aufstand proben sollte oder nicht – und ließ es bleiben. Gegen Mama kam sie noch nicht an, und es war wirklich schlimm, wenn sie einen aus diesen funkelnden blauen Augen strafend ansah.
    Als Kesri im Kindergarten ihre Eltern malen sollte, hatte sie ihre Mutter als Hyperanischen Sanzi dargestellt. »Das ist aber gar nicht nett«, fand die Betreuerin und bestellte Kesris Mutter zu sich. Der hatte das Porträt noch weniger gefallen als der Betreuerin, aber Kesri hatte mit den Achseln gezuckt und gemeint, es wäre doch nur ein Bild. Innerlich aber hatte sie gekichert.
    Schon beinahe vollständig wach, fand Kesri sich am Familientisch zum gemeinsamen Frühstück ein. Alle begrüßten sie, nahmen sie in den Arm und gaben ihr einen Kuss. Mama fragte sie, was sie zu essen und zu trinken haben wollte, und Kesri nannte ihre Wünsche, während sie auf ihren Platz kletterte. Alles in allem war es doch gar nicht so schlecht in dieser Familie, fand sie, und sogar Mandro konnte nett sein.
    Vergnügt tauchte sie ihren Löffel in den Brei und hörte zu, was ihre Eltern und Mandro so redeten. Meistens verstand sie nicht einmal die Hälfte, aber interessant war es trotzdem.
    Nur heute war alles anders. Mandro schnauzte auf einmal seinen Vater an, sich nicht in seine Angelegenheiten zu mischen, woraufhin Mutter ihn ermahnte, nicht so frech zu sein. Und da schrie Mandro auch noch sie an!
    Kesri saß mit großen Augen da und verstand gar nicht, was mit ihrem Bruder los war. So benahm er sich sonst nie! Sicher war er manchmal sauer, aber sie hatte ihn niemals so außer sich erlebt. Und nicht nur das, er steigerte sich immer noch mehr hinein, und die Eltern auch.
    Das Mädchen kroch in sich zusammen, es hatte Angst. Noch nie hatte es so einen Streit erlebt. Manchmal erzählten die anderen im Kindergarten, wie es bei ihnen daheim zuging. Kesri kannte das gar nicht und konnte immer nur sagen, dass sie sich alle lieb hatten.
    »Hört doch auf«, wimmerte sie, »bitte, bitte hört auf...«
    Niemand hörte auf sie, sie schrien nur immer noch lauter, Kesri verstand kaum mehr ein Wort, so schnell ging es hin und her.
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