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303 - Tod einer Königin

303 - Tod einer Königin

Titel: 303 - Tod einer Königin
Autoren: Jo Zybell
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aufgebrochen war, um nach Maddrax’ abgestürztem Feuervogel zu suchen.
    Der Schlaf wollte und wollte sich nicht einstellen. Und war es ein Wunder, nach allem, was hinter ihr lag?
    An Ann musste sie denken, an das Schwert, wie es durch die Luft wirbelte und in den Rücken des Kindes fuhr. Wie fette Hornissen schwirrten ihr die bösen Bilder durchs Hirn, stachen sie ins Herz, fraßen an ihren Nerven.
    Irgendwann führten ihre Grübeleien sie dorthin, wo es ihren Geist immer hinzerrte in solchen Stunden: zu Daa’tan. Sie sah ihn im Kampf mit Maddrax, sah seine Wunden, sah ihr geliebtes und zugleich gefürchtetes Kind im Blitzgewitter der marsianischen Waffe sterben.
    Kaum zu ertragender Schmerz mischte sich mit heißem Zorn – Schmerz wegen des Verlustes, Zorn auf Maddrax. Tränen stürzten ihr aus den Augen. Sie stand auf, verließ Lusaanas Hütte, die man ihr in der Siedlung zugewiesen hatte, lief durch die Nacht bis zum Strand hinunter. Dort streckte sie sich im Sand aus, schrie die Namen der Geliebten und Gehassten in den Sternenhimmel hinauf und weinte.
    Im ersten Morgengrauen verstummte sie und lag ganz still; sie hatte sich in den Schlaf geweint.
    Plötzlich stand sie am Zusammenfluss zweier Ströme. Es rauschte und brauste und die Strömung war reißend und warf hohe, schäumende Wellen auf.
    Aruula spürte, dass etwas nicht stimmte mit diesen Flüssen, konnte aber nicht auf Anhieb sagen, was. So angestrengt sie auch ins Wildwasser starrte, sie fand es einfach nicht heraus.
    Beide Flussläufe waren mehr als zwei Speerwürfe breit; der große weitete sich gar zu einem mächtigen Strom, dessen Ufer nur noch mit Mühe zu erkennen waren. Aruula stand auf einer Landzunge aus Geröll, die sehr schmal und sehr spitz in den Zusammenfluss hineinragte. Trümmer einer Halle bedeckten den Abraum.
    Als sie sich vom reißenden Wasser abwandte, sah sie sich einer hohen Mauer aus schwarzem Fels gegenüber. Etwa einen Speerwurf weit entfernt reichte sie von einem Flusslauf in den anderen und ragte in jeden mindestens zwanzig Schritte weit hinein.
    Die hohe Mauer versperrte den Weg über die Landzunge – Aruula erkannte voller Schrecken, dass sie von Wasser und Fels eingeschlossen war. Und täuschte sie sich oder schwollen die Flüsse weiter an?
    Im nächsten Augenblick entdeckte sie zwei Brücken, schmale Stege mit Seilen als Geländer. Über den tosenden Wellen schwankten sie im Wind. Auf eine Weise, die Aruula nicht verstand, waren sie an der Vorderseite der Felswand festgemacht. Am anderen Ufer mündeten beide Brücken kaum noch sichtbar im Dickicht des Uferwaldes.
    Mit schmerzlicher Klarheit begriff sie, dass sie den Weg über eine der beiden Hängebrücken wagen musste. Doch welche sollte sie nehmen?
    »Aruula!«, krächzte plötzlich hinter ihr eine Stimme. Sie drehte sich um. Ein Ruderboot lag jetzt zehn Schritte entfernt am äußersten Ende der Landzunge. Lusaanas Festgewand lag über zwei Ruderbänke ausgebreitet, der Umhang und das Kleid einer Königin. Wasser umspülte das Bootsheck. Und noch einmal zehn Schritte entfernt, mitten auf den Wellen der vereinigten Flüsse, stand eine Greisin mit schlohweißem verfilzten Haar. Sie schlenderte auf dem Wasser wie auf festem Grund. Ihr Lächeln hatte etwas Schelmisches.
    »Was für eine schöne Frau«, krächzte die Alte. Ihre braune Haut glich brüchigem Vorjahrslaub, ihr langer Lederumhang war zerknittert und von schwärzlichem Rot. Ein Ring aus rötlichem Metall hing in ihrem rechten Nasenflügel.
    Wudans Auge! Aruula hielt den Atem an.
    »Augen wie Vulkanseen«, krächzte die Greisin und schlenderte über die Wogen hinweg ein Stück näher. »Haut wie Bronze, Haar wie ein schwarzer Wakuda-Stier. Was für eine schöne Frau!«
    Wie lange war es her, dass Aruula die uralte Göttersprecherin zuletzt gesehen oder zuletzt von ihr geträumt hatte? Viele Winter.
    »Und jetzt will die schöne Kriegerin wissen, welche Brücke sie nehmen muss, um ihren Weg zu finden, nicht wahr?«
    Aruula nickte stumm. Kein Wort wollte sich aus ihrer Kehle lösen.
    »Das muss sie auch wissen, denn das Wasser steigt und steigt.« Die Greisin deutete auf das kleine Ruderboot – es löste sich bereits vom Boden, weil die Brandung es erfasste. Auch einzelne Teile der Hallenwand bewegten sich schon in Wellen, die sie unterspülten.
    Angst packte Aruula und schnürte ihr die Brust zusammen. Sie wollte zum Boot laufen, doch ihre Muskeln gehorchten ihr nicht. Sie wollte schreien, doch ihre Kehle war
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