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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts
Autoren: Sergej Lukianenko
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nach. Nur diese kleine Spitze ... Freilich, wir hatten vereinbart, nicht über dieses Thema zu sprechen. Schon vor langer Zeit, schon seit Swetlana vor drei Jahren aus der Nachtwache ausgetreten war. Und nicht einmal hatten wir das Versprechen gebrochen. Natürlich erzählte ich meiner Frau von meiner Arbeit. Von außergewöhnlichen Fällen. Und sie hörte immer interessiert zu. Und jetzt das: Sie brachte das Thema von sich aus zur Sprache. Ob sie wirklich eine Gefahr spürte?
    Auf alle Fälle fing ich erst mal an zu trödeln, wollte nicht los. Erst zog ich mir einen Anzug an, dann Jeans und ein kariertes Hemd, danach konnten mich alle mal, und ich schlüpfte in Shorts und ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck »Mein Freund war klinisch tot, aber alles, was er mir aus dem Jenseits mitgebracht hat, ist dieses T-Shirt!« Wie ein deutscher Tourist, der sich des Lebens freut. Immerhin wahrte ich so wenigstens den Anschein von Urlaubsstimmung, wenn ich Geser gegenübertrat ...
    Schließlich verließ ich das Haus erst zwanzig Minuten, bevor ich beim Chef zu sein hatte. Ich musste ein Auto anhalten, die Wahrscheinlichkeitslinien überprüfen, um dem Fahrer dann eine Strecke nennen zu können, bei der uns kein Stau erwartete.
    Der Fahrer akzeptierte die Tipps nur ungern und voller Skepsis. Dafür schafften wir es noch rechtzeitig. Auf den Fahrstuhl musste ich verzichten: Ein paar Jungs in Blaumännern beluden die Aufzüge eifrig mit Papiersäcken, die eine Zementmischung enthielten. Also nahm ich die Treppe. Im ersten Stock unseres Hauses entdeckte ich Handwerker. Sie verkleideten die Wände mit Gipskartonplatten. Außerdem wuselten Verputzer herum, die die Dinger gleich verfugten. Parallel dazu zogen wieder andere eine Zwischendecke ein, über der bereits Röhren von einer Klimaanlage verliefen.
    Hatte sich der Leiter unserer Wirtschaftsabteilung am Ende doch noch durchgesetzt! Und den Chef dazu bekommen, eine umfassende Modernisierung zu bewilligen. Und sogar Geld dafür aufgetrieben.
    Ich blieb kurz stehen, um mir die Arbeiter durchs Zwielicht anzusehen. Menschen. Keine Anderen. Was schließlich auch zu erwarten gewesen war. Bloß ein Verputzer, ein völlig unscheinbarer Mann, hatte eine etwas verdächtige Aura. Doch schon im nächsten Moment begriff ich, dass er lediglich verliebt war. In die eigene Frau! Ha! Gab es also doch noch anständige Menschen!
    Der zweite und dritte Stock waren bereits fertig, was auch die letzten Reste meiner schlechten Laune vertrieb. Endlich würde es im Rechenzentrum kühler sein. Sicher, ich würde da jetzt nicht mehr jeden Tag auftauchen. Aber trotzdem ... Im Vorbeigehen begrüßte ich die Wachleute, die hier offensichtlich für die Zeit der Bauarbeiten Dienst schoben. Dann stürmte ich auf Gesers Zimmer zu. Und stieß erst mal mit Semjon zusammen. Der erklärte Julja gerade etwas mit ernster Miene und eindringlicher Stimme.
    Wie die Zeit vergeht... Vor drei Jahren war Julja noch ein kleines Mädchen gewesen. Inzwischen hatte sie sich zu einer jungen hübschen Frau gemausert. Da sie eine tüchtige Zauberin zu werden versprach, hatte man sie bereits ins Europabüro der Nachtwache holen wollen. Zu gern sicherte man sich dort die talentierte Jugend - unter dem Deckmäntelchen vielsprachiger Losungen über die große und gemeinsame Sache.
    Diesmal war ihre Rechnung jedoch nicht aufgegangen. Geser hatte ihnen Julka verweigert und damit gedroht, er selbst könne auch anfangen, die europäische Jugend zu rekrutieren. Was wohl Julja selbst gewollt hatte?
    Semjon unterbrach sein Gespräch, sobald er mich sah. »Hat er dich herbestellt?«, fragte er verständnisvoll. »Oder ist dein Urlaub schon vorbei?«
    »Sowohl als auch«, antwortete ich. »Ist irgendwas passiert? Hallo, Julka.«
    Semjon und ich begrüßten uns aus irgendeinem Grund nie. Als ob wir uns schon kurz zuvor begegnet wären. Er sah ja auch immer gleich aus: höchst schlicht und unachtsam angezogen, mit dem faltigen Gesicht eines Bauern, den es in die Stadt verschlagen hat. Heute sah Semjon sogar noch schlampiger aus als sonst.
    »Hallo, Anton«, meinte Julja lächelnd. Ihr Miene war ernst. Anscheinend ging Semjon gerade seiner pädagogischen Tätigkeit nach, eine Sache, auf die er sich meisterlich verstand.
    »Nichts ist passiert.« Semjon schüttelte den Kopf. »Alles ist ruhig und friedlich. Letzte Woche haben wir zwei Hexen festgenommen, aber auch nur wegen Kleinigkeiten.«
    »Dann ist es ja gut«, meinte ich und gab mir alle
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