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3. Reich Lebensborn E.V.rtf

3. Reich Lebensborn E.V.rtf

Titel: 3. Reich Lebensborn E.V.rtf
Autoren: Will Berthold
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lebt er noch in einer Schleuse, redet sie sich ein, in der es weder Freude, noch Leid gibt. Zuerst sitzt sie am Bett ihres Kindes. Dann an der Couch neben dem schlafenden Mann. Sie betrachtet forschend sein Gesicht. Die Entspannung macht die scharfen Falten weicher. Der Schlaf verjüngt seine Züge, wischt die Schicht ab, die der Krieg darüberschmierte. Er ist da, denkt sie, und es ist gut, daß er da ist. Und wir werden wieder zueinander finden, ganz gewiß. Zu dumm, jetzt, wo alles gut ist, endlich ...
    In den nächsten Wochen ändert sich nicht viel. Der Friede ist barbarisch. Statt Glück gibt es Kalorien, statt Brot Hungerödeme, statt Kohlen Kälte, statt Geld amerikanische Zigaretten. Diese Währung begräbt alles andere unter sich. Das 300
    Motto der Zeit ist so freudlos wie die Kopftücher der Frauen, und es hämmert: Jeder ist sich selbst der Nächste. Es ist die Zeit, in der Millionen suchen und Hunderttausende nicht finden. Es ist die Zeit, in der Ehen zerbrechen, Freundschaften schmelzen, wo der ordinäre, dreckige Alltag die letzte Würde des Menschen frißt.
    Ich bin glücklich, redet sich Doris ein, bis sie es glaubt. Nur das Gesicht, das aus dem Spiegel zurückkommt, glaubt es nicht. Zum ersten Male in ihrem Leben führt Doris die Ehe, die seit Jahren auf dem Papier steht, wirklich.
    Zunächst ist sie froh, daß in diesen Wochen das tägliche Brot und die tägliche Milch die Gemeinschaft bis zum Rande ausfüllt. Klaus arbeitet bei Bauern. Wenn er sich abends müde in sein Bett wirft, bemerkt Doris, daß sein Gesicht wieder Farbe bekommt, und seine Arme Muskeln. Wenn die Universität aufmacht, will er studieren.
    Aber etwas stimmt nicht. Durch ein unsichtbares Loch versickert die gegenseitige Zuneigung wie Blut. Jedesmal wenn Klaus mit seinem Jungen spielt, fühlt Doris den verkrampften, kalten Griff am Herzen. Nicht, daß der Heimkehrer kein vorbildlicher Vater wäre. Aber Doris hat jedesmal die Empfindung, es sei etwas nicht echt und nicht wahr, wenn sich ihr Mann mit dem Kind beschäftigt. Manchmal fängt sie einen raschen, ängstlichen Seitenblick von ihm auf, als wolle er sich vergewissern, daß sie nicht merkt, wie sehr er nur um ihretwegen mit dem Kind spielt.
    Eines Abends spricht Doris mit ihm darüber. In der Ecke der Stube ist der Tag schneller gestorben als draußen.
    »Klaus«, fragt sie leise, »was ist eigentlich los?«
    Er legt die dünne Zeitung weg.
    »Was soll los sein, Doris?« Er lacht unsicher.
    »Bitte«, fährt sie fort, »sag es ... du bist so verändert ... und das Kind ... manchmal glaube ich, daß du es gar nicht magst 301
    ...«
    Er schiebt sie sanft weg. Sein Gesicht ist mit einem Male grau. Feldgrau.
    »Unsinn«, würgt er heiser, »ich verstehe dich nicht.«
    Doris gibt es auf.
    Am nächsten Morgen findet sie auf dem Küchenherd einen Zettel:
    »Ich komme wieder. Ich muß etwas suchen. Du wirst alles verstehen. Hab’ Vertrauen, Doris ...«
    Die Buchstaben winden sich vor ihren Augen wie Gewürm
    ...
    Bremsen kreischten, Pfiffe schrillten, Kommandos schallten, Polizisten sprangen von Lastautos. Das Netz, das sie auswarfen, war zufällig und sinnlos. Die Razzia vor dem Münchner Hauptbahnhof stellte eine Fuhre des Schicksals zusammen. Baumlange MP’s standen im Hintergrund, kauten auf ihren ewigen Chewing Gums, wickelten sich ihre ›stiks‹
    um den Finger und sahen zu, wie die uniformierten Krauts die normalen Krauts zusammentrieben. Sie wurden alle über ein Lastauto geschoren. Ob es nun die alte Frau war, die mit schwarzgekauftem Insulin ihrem zuckerkranken Mann das Leben verlängerte, oder die Sekretärin, die es leid war, mit nackten Beinen herumzulaufen, oder der Amputierte, dessen geschundener Körper nach Morphium gierte, oder der Familienvater, der die Fettration seiner Kinder umsetzte, um seine Lungen mit Nikotin zu füttern. Sie alle schrien durcheinander und resignierten, als man sie ins Polizeipräsidium karrte.
    Der Mann im grünen Lodenhut sagte kein Wort. Er holte seinen Ausweis aus der Tasche und prüfte ihn mit starren Hechtaugen. Gar nichts merken die, dachte der desertierte Obersturmbannführer Westroff-Meyer.
    302
    Sie wurden allein vernommen. Zuerst die Frauen. Dann die Halbwüchsigen. Schließlich die Männer. Wer kein Hamstergut bei sich hatte und sich ausweisen konnte, durfte gehen. Niemand entschuldigte sich für den Zwischenfall. Die deutschen Polizisten, die in ihren Uniformen verzweifelt Gasablesern ähnelten, waren viel zu müde dazu.
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