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298 - Beim Ursprung

298 - Beim Ursprung

Titel: 298 - Beim Ursprung
Autoren: Jo Zybell
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nächsten Morgen wartete sie weiter - zuerst auf PROTOs Hülle, dann auf dem Geröllberg, dann wieder beim Panzer. Zwischendurch wagte sie sich bis zum nächsten Schneerest vor, um sich Trinkwasser zu beschaffen.
    Drei Tage lang harrte sie auf und in der Ruine aus. Doch ihr Dad kam nicht.
    »Er muss kommen«, sagte sich Ann am Morgen des vierten Tages. »Es ist schließlich sein Panzer, und irgendwann braucht er ihn.«
    Aber sie war realistisch genug, um zu erkennen, dass sie hier nicht länger warten konnte. Sie würde verhungern und - nachdem auch der restliche Schnee geschmolzen war - verdursten.
    Doch wohin gehen? Weiter ins Land hinein, wo neue Gefahren auf sie lauerten und ihr Vater keine Chance hatte, sie zu finden? Oder zurück ins Dorf, wo sie unter den Verrückten ausharren musste, bis er kam und sie da rausholte?
    Eine Idee gab schließlich den Ausschlag: Ann beschloss, ihrem Dad eine Nachricht zu schreiben und so an der Luke zu befestigen, dass er sie finden musste, wenn er zurückkam, um PROTO zu holen. Und sie würde auf die Rückseite einen genauen Plan des Dorfes zeichnen, mit einem X an der Stelle, wo sie in Pieroos und Jennys Hütte schlief. Damit würde er sie zweifellos ganz schnell finden.
    Ann holte ihr Tagebuch aus dem Rucksack, nahm einen Stift und begann zu schreiben und zu zeichnen.
    ***
    Atlantik, Ende Mai 2527
    General Arthur Crow lehnte in seiner menschlichen Gestalt über der Steuerbordreling der Fregatte und starrte grübelnd aufs Meer hinaus. Seine Miene war finster, und das lag ganz eindeutig an dem Gegenstand seiner Grübeleien, der in einem gut bewachten Raum im Zwischendeck der EIBREX IV ruhte: ein faustgroßer Stein, unscheinbar auf den ersten Blick und dennoch extrem gefährlich. Jenny Jensen, Sir Leonard und deren Anhänger hier auf dem Schiff nannten ihn Mutter .
    Crow war zuerst überzeugt davon gewesen, dass sie allesamt verrückt waren, einen Stein wie eine Gottheit anzubeten. Inzwischen hatte er seine Meinung geändert. Teilweise zumindest. Natürlich hielt er die Sektierer auch weiterhin für verrückt. Aber was den Stein betraf - der lebte wirklich! Und hatte einen nicht geringen Einfluss auf alle, die einst von seinen Schatten versteinert worden waren.
    Nordwestwind blähte die Segel, die Masten knarrten, Möwen kreischten am Heck. Die Fregatte näherte sich dem eureeischen Kontinent. Crow drehte sich um. Zwei Männer leerten Abfallkübel über die Heckreling ins Meer, zwei Steinjünger; so nannte Crow bei sich selbst Jensens und Gabriels Leute. Wie sonst sollte man Leute nennen, die alle Hebel in Bewegung setzten, um diesen Stein vom Meeresgrund zu bergen und ihn quer über den Atlantik an einen ganz bestimmten Ort irgendwo an der Ostseeküste zu bringen, wo er einem ominösen Ursprung zugeführt werden sollte?
    Die Männer an der Heckreling stapften nach Backbord und verschwanden hinter den Schiffsaufbauten. Die Möwen stürzten sich ins Kielwasser und stritten sich kreischend um Fischköpfe und altes Brot.
    Deutlich mehr Möwen als gestern noch begleiteten die EIBREX IV inzwischen. Weit konnte es also nicht mehr sein bis zum Festland, und dann noch einmal ein, zwei Wochen an der Küste entlang bis zum Dorf der Verrückten. Crow wandte sich ab und starrte wieder über die Reling ins Meer.
    Scheiß auf die Möwen. Es geht um dieses verfluchte Steinwesen, das sie Mutter nennen! Dass es all den euphorisierten Halbidioten an Bord seinen Willen aufzwingen konnte, hätte dem ehemaligen General und Präsident des Weltrats kaum Kopfzerbrechen bereitet. Sein Verständnis wäre der steinernen Kreatur sogar gewiss gewesen, denn dieses Bestreben hatten sie durchaus gemeinsam: den Menschen ihren Willen aufzuzwingen. Wie sollte man sie auch anders beherrschen, wie sonst Ordnung schaffen auf dieser chaotischen Welt?
    Es war das Ziel des Steinwesens, das ihm Kopfzerbrechen bereitete: Es wollte zu der Gesteinschicht im Inneren der Erde zurück, aus der man es einst herausgebrochen hatte. Und in genau diesen Stunden, während die Karavelle unterwegs zur Ostseeküste war, bohrte an diesem Ursprung bereits ein Haufen weiterer Verrückter ein Loch in die Erde, um zu diesem Flöz - oder was immer es war - durchzubrechen.
    All das wusste Kroow, seit das Steinwesen sich ihm anvertraut hatte. Aus Dankbarkeit, weil Kroow seine bereits erlöschende Energie mit der Lebenskraft zweier Besatzungsmitglieder aufgefrischt hatte. Und er beglückwünschte sich, dass er telepathischen Kontakt zu dem
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