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2895 - Zeugen leben nicht lange

2895 - Zeugen leben nicht lange

Titel: 2895 - Zeugen leben nicht lange
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schämte?
    »Kein Wunder, dass uns Guerneri nicht weiter interessiert hat. Er ist im letzten Studienjahr bei einer Raftingtour tödlich verunglückt«, warf ich ein.
    Dieses Rätsel musste uns nicht weiter beschäftigen. Als auf dem Monitor ein weiteres Bild der Gruppe auftauchte, schauten wir uns verwirrt an. Was bezweckte der Chef damit?
    »Wer von den jungen Männern ist der Konsul, Jerry? Verraten Sie es mir?«, bat Mr High.
    Ich schaute kurz auf und nannte die Position, an der Salvatore di Razzo stand. Unser Chef nahm das zustimmende Nicken meiner Kollegen mit einem fragenden Blick in die Runde zur Kenntnis.
    »Wie ich sehe, teilen Ihre Kollegen diese falsche Angabe«, stellte er fest.
    Falsche Angabe? Alle Augenpaare schossen hinauf zum Wandmonitor. Ich starrte die Studenten auf der Fotografie an, und auf einmal erkannte ich die minimale Abweichung. In dieser Darstellung hatten Guerneri und di Razzo schlicht die Positionen getauscht. Es fehlte auch die kameradschaftliche Geste mit der Hand auf der Schulter des Freundes.
    »Ich habe mir alle Aufnahmen des Fotoateliers schicken lassen, die damals angefertigt wurden. Außer der im Jahrbuch enthaltenen Fotografie gibt es vier weitere Bilder, die ich Ihnen jetzt zeige«, erklärte Mr High.
    Schon nach wenigen Blicken wurde deutlich, worauf uns der Chef hinweisen wollte. Ich schaute zu Phil, der verwundert den Kopf schüttelte.
    »Guerneri und di Razzo könnten in der Tat als Zwillinge durchgehen. Was uns aber nicht unbedingt weiterbringt, Chef. Immerhin gibt es den Ermittlungsbericht über den Unfall, bei dem alle Zeugen eindeutig Guerneri als das Opfer identifiziert haben«, sagte June.
    Genau mit diesem Gedanken war ich ebenfalls beschäftigt und dachte angestrengt über eine Sache nach.
    »Sie vermissen etwas bei den Ermittlungsakten, Jerry. Genau wie ich. Es gab damals keine Obduktion, die uns einen unwiderlegbaren Beweis über die getötete Person liefern könnte«, sagte Mr High.
    Das war es, was mich irritierte und an eine mögliche Verwechslung glauben ließ. Als ich diesen Gedanken zuließ, erinnerte ich mich an eine Seltsamkeit, der ich bislang zu wenig Beachtung geschenkt hatte.
    »Der Konsul ist seit seinem Studienabschluss noch nicht wieder in Kalabrien gewesen«, stieß ich hervor.
    Phil nickte zustimmend, und auf einmal zeigten sich auch Zweifel bei June und Blair. Es zeichnete sich eine Variante ab, die alle Vorkommnisse bestens erklären konnte.
    »Wir müssen diesen Auffälligkeiten nachgehen und entdecken möglicherweise weitere Abweichungen, die auf die wahre Person hindeuten«, schlug ich vor.
    Damit nahm ich unserem Chef seine nächste Anweisung quasi vorweg, denn er nickte mit einem leichten Lächeln. Noch auf dem Weg zu unserem Büro teilte ich die Aufgaben unter uns vier auf. Durch diese Arbeitsteilung erwartete ich schnelle Erfolge, sodass wir schon bald wieder mit dem Chef über neue Erkenntnisse sprechen konnten.
    »Sollte sich diese Annahme als richtig herausstellen, hattest du wieder einmal den richtigen Riecher«, sagte Phil.
    »Das war mehr eine Verzweiflungstat, Phil. Ohne den Hinweis von Coburn und die Aufmerksamkeit von Mister High hätte ich ebenfalls weiter im Nebel stochern müssen«, wehrte ich ab.
    Die nächsten Stunden vergingen mit der mühsamen Suche nach irgendwelchen Fetzen an Informationen, die unsere Theorie stützen könnten.
    ***
    Seine Zeit war abgelaufen. Luca Guerneri saß in seinem Arbeitszimmer oder besser gesagt im Arbeitszimmer des toten di Razzo und dachte über seine Zukunft nach.
    »Es hat viel länger funktioniert als erwartet«, dachte er.
    Bei dem Raftingunfall vor vielen Jahren hatte er zusehen müssen, wie sein bester Freund wegen einer Nachlässigkeit ums Leben kam. Es war ein heilloses Chaos ausgebrochen, während Luca in stummem Entsetzen zu keiner Äußerung fähig gewesen war. Er musste rein automatisch auf einige Fragen reagiert haben, ohne dass diese Worte seinen Verstand erreicht hatten. Als er in einen Rettungswagen verfrachtet wurde, um in die nahe gelegene Klinik transportiert zu werden, ließ Luca es teilnahmslos geschehen.
    »Es ist nicht deine Schuld, Salvatore. Luca war wieder einmal überheblich und wollte dem Schicksal trotzen«, sagte Thomas.
    Es waren drei Tage seit dem Unglück vergangen und seine Kommilitonen besuchten Luca in unterschiedlichen Konstellationen. An dem Nachmittag war Thomas Garth allein erschienen, und als er Luca mit dem falschen Vornamen ansprach, reagierte dieser
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