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285 - Am Nabel der Welt

285 - Am Nabel der Welt

Titel: 285 - Am Nabel der Welt
Autoren: Manfred Weinland
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und daran würde sich auch nichts ändern.
    Matt stoppte den Amphibienpanzer, stellte den Motor ab und lehnte sich weit im Sitz nach hinten. Außer dem leisen Summen des Trilithiumreaktors und dem Klirren von Geschirr, mit dem Xij in der Bordküche hantierte, war nichts zu hören. »Kurzer Stopp, wenn's recht ist«, sagte Matt. »Ein bisschen Sonne und frische Luft tanken. Hier drin kriegt man auf Dauer ja Depressionen. Seid ihr einverstanden?«
    Die Zustimmung fiel einhellig aus. Beinahe jedenfalls. Nur Victoria tanzte aus der Reihe: »Wir sollten das Tageslicht und das gute Wetter nutzen, um möglichst weit zu kommen. Ausruhen können wir, wenn es dunkel ist.«
    »Dann scheint aber eher selten die Sonne«, bewies Aruula Sinn für Ironie. Matt drehte sich mit seinem Sitz nach rechts und grinste sie an. Aruula beugte sich vor und reichte ihm für einen flüchtigen Moment über die Konsole des Navigationscomputers, der beide Sitze voneinander abgrenzte, hinweg die Hand.
    Die kurze Berührung war warm und wohltuend. Seit sie mit dem Amphibienpanzer unterwegs waren und zurzeit quer durch Doyzland fuhren, fühlte er sich ihr wieder so nah und verbunden wie in ihren besten Zeiten. Die Ereignisse um die Schatten hatten sie noch enger zusammengeschweißt. Zu der Vertrautheit, die über nun schon ein Jahrzehnt stetig gewachsen war, hatte sich das Bewusstsein gesellt, sich auf den Partner in jeder Situation verlassen zu können.
    Xij kam nach vorn. Auf einem Tablett balancierte sie vier Tassen einer schwarzen Brühe, die man mit viel Wohlwollen als Kaffee bezeichnen konnte. Das mit Stickstoff konservierte Pulver gehörte zur eingelagerten Bordverpflegung und war auch nach fünfhundert Jahren noch halbwegs genießbar. »Wer mag einen Coffee-to-go«, fragte Xij - und Matt fragte sich abermals, woher sie Begriffe des 20. Jahrhunderts kannte.
    »Kaffee wäre nicht schlecht«, sagte er und schnappte sich eine Tasse. »Zur Not trink ich aber auch dieses Zeug.«
    Lady Victoria dagegen winkte ab. »Wenn ihr euch die Beine vertreten wollt, dann tut es auch - umso schneller können wir wieder Fahrt aufnehmen.«
    »Man könnte meinen, sie hätte ein Rendezvous«, sagte Xij breit grinsend, als sie wenig später mit Matt und Aruula ins Freie trat und an ihrem Kaffeebecher nippte. Alle drei trugen sie dicke Jacken. Zwar schien die Sonne, aber die Temperatur lag nahe dem Gefrierpunkt. Im nächsten Moment kam ein »Wow!« über Xijs Lippen. »Das nenne ich mal eine Landschaft!«
    Matt konnte ihr nur zustimmen. Genau deswegen hatte er ja angehalten. Die wellige Landschaft wirkte unberührt. Ein Hauch von gefrorenem Tau lag über den Wiesen und glitzerte in der Dezembersonne. Die Luft roch nach Schnee, aber der Wintereinbruch kam spät in diesem Jahr. Was nach den überaus harten Wintern der letzten Jahre - und erst recht nach der dreihundertfünfzig Jahre andauernden Eiszeit - eine Wohltat war.
    Sie gingen ein paar Schritte, um sich die Füße zu vertreten. Eine Straße im herkömmlichen Sinn gab es nicht. Das achträdrige Panzerfahrzeug schuf sich seinen Weg, wo immer es sich entlang bewegte; man sah seine schnurgerade Spur deutlich im zerstörten Raureif.
    »Wo sind wir genau?«, fragte Xij. »Wie ist unsere Position?«
    »Im südlichen Schleswig-Holstein«, erwiderte Matt. »Zumindest nannte man es früher so.« Sie waren seit Mons in Belgien [1] immer in Küstennähe geblieben, hatten die Niederlande passiert und befanden sich momentan im Binnenland zwischen Nord- und Ostsee. »Laut der Karten sind wir irgendwo zwischen Trittau und Ratzeburg. Wenn wir unser bisheriges Tempo beibehalten können, sollten wir bis zum Einbruch der Dunkelheit die Ostseeküste erreichen… ist was?«
    Die Frage ging an Aruula, die ihn entgeistert ansah.
    »Wir fahren zu einer Stadt, die nach den Ratzen benannt wurde?«, fragte sie. »Ist das nicht zu gefährlich?«
    Matt stutzte kurz, dann lachte er. »Der Name hat weder mit Ratzen, noch mit Taratzen zu tun«, erklärte er. »So weit ich weiß, wurde die Stadt nach einem Grafen Ratzeburg benannt.«
    Xij Hamlet blickte zum Himmel, rechnete augenscheinlich den Stand der Sonne um. »Bei Einbruch der Nacht, sagst du? Das wird spätestens in zwei-, zweieinhalb Stunden sein.«
    »Gut möglich«, sagte Matt.
    Aber bereits einen Herzschlag später senkte sich aus heiterem Himmel ein Schatten über ihn.
    Über sie alle.
    Und dann stieß der Schwarm, der sich ihnen unbemerkt genähert hatte, auch schon herab.
    ***
    »
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