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285 - Am Nabel der Welt

285 - Am Nabel der Welt

Titel: 285 - Am Nabel der Welt
Autoren: Manfred Weinland
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ganzen vierzig Meter langen Gang, der mehrfach nach rechts und links abzweigte und neue Wege öffnete, die Calora und Damon ignorierten, begegnete ihnen tatsächlich keine Menschenseele mehr. Die Crew musste gerannt sein, als säße ihr der Teufel im Genick.
    Scheiße, so ist es ja auch. Der Teufel namens Tod…!
    Calora und Damon wechselten jetzt kein Wort mehr. Sie wussten, was zu tun war, wohin es ging. Und sie wussten, was die Erschütterungen zu bedeuten hatten, die jetzt in immer kürzeren Abständen durch den Schiffskörper liefen. Vielleicht brachen bereits die ersten Verstrebungen, lösten sich die ersten Teile von der CARTER IV…
    Nach rechts… geradeaus… dann links…
    Calora konnte sich nicht erinnern, jemals so schnell gerannt zu sein, ohne müde zu werden. Sie hatte überhaupt keine Zeit, um auf etwaige Proteste ihres Körpers zu achten. Es war, als liefe sie neben sich her. Sie hatte nur noch Wahrnehmungskapazität für ihre Umgebung. Gab es schon Anzeichen eines Lecks, durch das die Atemluft entwich? War irgendwo offenes Feuer ausgebrochen und kroch der Rauch wie ein Gespenst durch die Gänge und Schächte zu ihnen?
    Eine letzte Biegung… und der Zipfel eines anderen Marsianers, der gerade um die Ecke verschwand.
    Der Anblick gab Calora einen Motivationsschub. Vielleicht war doch nicht alles verloren.
    Sie schaffte es, Damon einen ermutigenden Blick zuzuwerfen, und ihr wurde bewusst, dass er eigentlich viel schneller hätte sein können - aber er schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, neben ihr zu bleiben, es entweder mit ihr zusammen zu schaffen, oder -
    Ein in dieser Stärke nie verspürtes Gefühl überflutete Calora. Aber sie zwang sich, es nicht Überhand nehmen zu lassen. Auch sie waren jetzt um die letzte Biegung, und vor ihnen, im flackernden Licht der gegen den Ausfall ankämpfenden Energieversorgung tauchte die gewölbte Wand auf, die allenfalls ahnen ließ, dass sie der kleine Ausschnitt einer Kugelschale war, die sich über mehrere Decks erstreckte, aber nur diesen einen Zugang hatte. Ein kreisrunder Durchgang, der sich wie die Irisblende einer altertümlichen Kamera geöffnet hatte und wieder schließen würde, verschaffte dem unmittelbar vor ihnen rennenden Crewmitglied gerade Zutritt. Als er die Schwelle übertrat, wurde er von Händen in Empfang genommen, die ihn leiteten.
    Calora blickte über die Schulter.
    Nichts. Offenbar waren sie und Damon die Einzigen, die sich noch außerhalb der Kapsel aufhielten, und das bedeutete…
    Nein! , dachte sie und wünschte sich Superkräfte, um die sich schließende Irisblende kraft ihres Willens aufzuhalten.
    Damon sah ebenfalls, wie ihre letzte Chance dahinschwand. Und nun startete er doch noch durch. Calora fragte sich, woher er die Reserven nahm, aber… er schaffte es, sich in die Öffnung zu hechten, die gerade noch groß genug war, um einen erwachsenen Mann passieren zu lassen.
    Sein Vorsprung auf Calora betrug nur ein, zwei Sekunden - und was machte er daraus?
    Du Wahnsinniger! , dachte sie, als er sah, dass er sich bewusst mit Armen und Beinen in dem Durchlass verkeilte, obwohl er noch Gelegenheit gehabt hätte, ins Innere zu schlüpfen.
    Aber dann wäre das Schott jetzt zu.
    Stattdessen trat ein Sicherheitsmechanismus in Kraft. Der erfasste »Fremdkörper« veranlasste die Blende, sich wieder zu öffnen.
    Von drinnen waren Flüche zu hören. Gonzales?
    Damon drehte sich zu Calora um, grinste sie an und streckte ihr die Hand entgegen. Sie griff danach, dachte in dem Moment an überhaupt nichts und ließ sich ins Innere der Kapsel ziehen. Direkt hinter ihr gab Damon den Durchgang frei und das Schott schloss sich.
    Steinerne Mienen empfingen sie. Gonzales löste die Gurte wieder, mit denen er sich auf eine der Dämpfungspritschen geschnallt hatte. Calora sah, dass alle bereits in die Raumanzüge geschlüpft waren, die die Wandseite der mittig aufgehängten Plattform säumten. Die Anzüge waren aus halbintelligentem Stoff gefertigt, der sich auf jede Statur einstellen ließ. Der Helm war in den Kragen integriert und bei den meisten bereits geschlossen.
    Gonzales stapfte ihnen entgegen und Damon schob sich zwischen ihn und Calora. Er stemmte die Fäuste in die Hüften. »Was ist? Willst du uns eigenhändig wieder rauswerfen?«
    Gonzales hielt inne, als hätte er vergessen, warum er seine Pritsche überhaupt verlassen hatte. Dann gab einen undefinierbaren Laut von sich, wandte sich wortlos wieder um und stapfte zurück zu seinem
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