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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I
Autoren: Karl May
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befand sich im Besitz außerordentlicher Vollmachten und ich kann sagen, daß ich auf seine Entscheidung mehr als neugierig war. Ich mußte ihm den Unterhändler zeigen, an den er sich in scharfem Ton wandte:
    „Du magst mir im Namen aller antworten! Ibn Asl ist euer Anführer?“
    „Ja.“
    „Ihr habt die Töchter der Fessarah geraubt und entführt?“
    „Ja.“ Diese beiden ‚Ja‘ klangen nicht so zuversichtlich, wie er vorhin mir geantwortet hatte. Es lag in dem Ton und dem ganzen Wesen des Emirs etwas, was nicht sehr Hoffnung erweckend war und eine lange Antwort oder gar Verteidigungsrede vollständig ausschloß.
    „Dabei habt ihr viele Menschen getötet?“ lautete die dritte Frage.
    „Ja – leider – ging es nicht anders“, würgte der Mann hervor.
    „Dann als ihr euch diesem Effendi ergeben solltet, habt ihr ihm gedroht: heute ihr, das nächste Mal er?“
    „Ja.“
    „Nach welchem Gesetz wollt ihr gerichtet sein, nach demjenigen der Wüste oder nach dem meinigen?“
    „Nach dem deinigen“, antwortete er, jetzt leicht aufatmend.
    „Ihr sollt mein Urteil hören, und es wird auch sofort vollzogen. Wehe dem, der wehe tut!“
    Er wendete sich ab, zog mich auf die Seite und fragte:
    „Effendi, wie würdest du sie bestrafen?“
    „Durch das Gericht.“
    „Das bin jetzt ich. Ich habe das Recht sowohl des Urteiles, als auch des Vollzuges erhalten und möchte deine Meinung hören. Haben diese Menschen den Tod verdient?“
    „Ja; aber bedenke, daß Gott gnädig ist!“
    „Allah ist gnädig, das ist wahr; er mag ihnen also gnädig sein. Du bist ein Christ und richtest deine Augen gerne hinauf zur ewigen Gnade. Ich aber soll vor allen Dingen gerecht handeln und –“
    „Halt, was ist das?“ unterbrach ich ihn. „Da oben liegt ein Mensch.“
    Er hatte bei seinen Worten ‚hinauf zur ewigen Gnade‘ den Arm gen Himmel erhoben, und mein Auge war unwillkürlich dieser Richtung gefolgt. Da sah ich ein Gesicht, welches sich über den Rand des Felsens vorbeugte und, als ich aufwärts blickte, sofort verschwand.
    „Ein Mensch?“ fragte er. „Wer könnte das sein? Etwa der Muza'bir oder der Mokkadem?“
    „Nein. Diese beiden werden sich hüten, hier in der Nähe zu bleiben. Aber kurz bevor du kamst, sah ich draußen am Horizont einen weißen Punkt, den ich für eine leuchtende Salzlache hielt. Vielleicht ist es ein Mann mit weißem Burnus gewesen.“
    „So eile hinauf, und sieh ihn dir an. Ben Nil mag mitgehen, denn er ist klug und mutig, und du kannst dich auf ihn verlassen!“
    Ich rief Ben Nil, nahm mein Gewehr und stieg so schnell wie möglich nach oben. Unterwegs überlegte ich mir, daß dies nicht geschehen konnte, ohne daß der betreffende Lauscher es von oben sah. Es war vorauszusehen, daß er fliehen werde; darum schickte ich, um ihn verfolgen zu können, Ben Nil zurück, um unsere beiden Hedschihn zu holen. Ich kam gerade zur rechten Zeit oben an, um sehen zu können, daß ein Mann sein Kamel bestieg und davonritt. Er hatte einen reinen, weißen Burnus an, und sein Tier war auch von weißer Farbe. Gern hätte ich es niedergeschossen, um des Reiters habhaft zu werden, aber mein Kennerauge machte mir einen Strich durch die Rechnung. Als es auf das Kamel fiel und die Formen und Bewegungen des Tieres erblickte, fühlte ich mich so enthusiasmiert, daß ich das Schießen vergaß. Ja, das war ein Hedschihn! Zehn vom Wert des meinigen wogen es nicht auf! Ich stand mit angelegtem Gewehr da, und als ich meiner Bewunderung Meister geworden war, hatte es spielend schon eine solche Strecke zurückgelegt, daß meine Kugel es nicht mehr erreichen konnte. Der Reiter drehte sich um und schwang sein Gewehr höhnisch gegen mich.
    Ich glaubte, es müsse fast eine Stunde verflossen sein, als Ben Nil mit den Kamelen bei mir ankam. Wir stiegen auf und jagten fort, dem Reiter nach.
    Wir hatten, wie schon oft erwähnt, ganz vortreffliche, ja ausgezeichnete Tiere und schlugen sie mit dem Metrek, dem dünnen Stab, mit welchem man die Kamele leitet, so um die Ohren, daß sie gleich im Anfang ihre größte Schnelligkeit entwickelten, doch vergebens. Ich mußte schon nach zehn Minuten einsehen, daß es unmöglich war, den weißen Reiter einzuholen. Der Vorsprung, den er hatte, wuchs von Schritt zu Schritt; seine Gestalt wurde kleiner und immer kleiner, und als er am Horizont nur noch wie ein scheinbar haselnußgoßer Punkt zu sehen war, hemmte ich den Lauf meines Kameles, um nach dem Wadi umzukehren. Ben Nil folgte
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