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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I
Autoren: Karl May
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sah zwei Reiter um die Ecke biegen und wieder verschwinden. Ich sah durch das Fernrohr und erkannte dich. Ich mußte dich natürlich in Berber vermuten und bin ganz erstaunt, dich hier zu sehen.“
    „Du sollst nachher erfahren, warum ich Berber verlassen habe; laß uns nur vor allen Dingen jetzt nach dem Lager gehen!“
    Auf seinen Ruf kamen seine Leute hinter der Felsenecke hervor. Es waren über vierzig wohlbewaffnete Reiter, alle auf schlanken Kamelen sitzend, Asaker, welche er von Khartum nach Berber beordert hatte. Wir schritten ihnen voran, dem Lager zu.
    Dort hatte mein Gebaren Aufmerksamkeit erregt. Man hatte mich laufen sehen und sah mich nun mit so vielen Menschen kommen. Als unsere Soldaten ihren Gebieter erkannten, kamen sie uns entgegen, ihn mit lautem Jubel zu empfangen.
    Nun gab es zu erzählen. Unsere Asaker machten sich an die seinigen, um ihnen ihre Erlebnisse zu berichten. Der Raïs bekümmerte sich zunächst gar nicht um die gefangenen Sklavenjäger und die befreiten Frauen. Ich mußte mich mit dem Lieutenant und dem alten Onbaschi zu ihm setzten, denn er wollte vor allen Dingen über den Stand der Dinge unterrichtet sein. Ich überließ die Erzählung den beiden andern, und ich kann sagen, daß sie von meinem Lob so überflossen, daß ich ihnen oft Einhalt tun mußte.
    Es verging fast eine Stunde, ehe sie alles erzählt hatten; denn sie taten das mit der Gründlichkeit des Orientalen, für welchen die Zeit wenig oder gar keinen Wert besitzt. Endlich hatte er alles bis auf das Kleinste und Unbedeutendste erfahren. Er drückte mir die Hand und sagte:
    „Ich glaubte, dich zu kennen, kannte dich aber noch lange nicht, Effendi. Ich war überzeugt, meinen Leuten in dir einen guten Berater zugeben; aber daß du ein gar so schlauer und verschmitzter Mann seist, das wußte ich doch nicht. Ich muß sagen, daß das, was ich höre, über alle meine Erwartungen geht. Ich glaubte mit den Räubern kämpfen zu müssen und finde die Arbeit schon ohne Kampf getan.“
    „So wußtest du, daß du sie hier treffen würdest? Von wem?“
    „Es gab unter meinen Leuten einen Verräter, einen Anhänger der Kadirine, welcher –“
    „Du meinst Ben Meled?“
    „Wie, du kennst ihn?“
    „Ja, denn er ist derjenige, welcher dem Mokkadem deinen Plan mitteilte.“
    „Er hat seinen Lohn. Er plauderte gegen einen andern; dieser war treu und sagte es mir. Ich erfuhr also, daß der Mokkadem mit dem Muza'bir nach diesem Wadi sei, um da auf Ibn Asl zu treffen. Ich requirierte schnell Kamele und brach auf, nachdem der Verräter die Bastonade in der Weise bekommen hatte, daß er der Kadirine wohl nicht mehr viel Nutzen bringen wird. Wir sind über Nacht geritten und suchten vom Morgen an den Brunnen, bis wir nun hier ihn und dich gefunden haben.“
    „Allah sei Dank dafür!“ seufzte der Lieutenant. „Da du selbst gekommen bist, ist mir die große Sorge um die Weiber abgenommen. Ich will lieber gegen hundert Feinde kämpfen, als sechzig solche Teufelinnen geleiten. Diese Marba sticht wie ein wilder Sudanese um sich! Sie ist eine der Jüngsten und Schönsten; wie verwegen mögen da erst die andern sein! Ich konnte den Mord unmöglich verhindern.“
    „Ich selbst hätte ihn nicht verhindert. Wehe dem, der wehe tut!“ meinte der Raïs Effendina in ernstem Ton, indem er sich seines bekannten Wahlspruches bediente. „Jetzt bin ich unterrichtet und will mir das Lager und die Menschen ansehen.“
    Er ging mit uns zu den Zelten, vor denen die Frauen saßen. Sie hatten schon gehört, wer er war, und harrten neugierig, wie er sich gegen sie verhalten werde. Die Ermordung Ben Kasawis und des Häßlichen schien ihnen nun doch bedenklich zu sein. Sie erhoben sich vor ihm. Er musterte sie mit freundlich ernstem Blick; ich mußte ihm Marba zeigen. Er trat zu ihr hin und fragte:
    „Du hast zwei Männer erstochen?“
    „Verzeihe es, Herr! Der Effendi hat es auch verziehen.“
    „Ich habe nichts zu verzeihen, denn du hast recht gehandelt. Wehe dem der wehe tut! Ihr werdet alles, was euch geraubt wurde, soweit es vorhanden ist, wiederbekommen. Ich gebe euch zwanzig Asaker mit, welche euch in eure Heimat bringen, und da der Effendi hier euch befreit hat, so mag er der Anführer eurer Karawane sein.“
    Er wandte sich ab und ging zu den Gefangenen hinüber. Auch sie hatten gehört, daß er der Raïs Effendina sei; sie wußten also, daß sich ihr Schicksal schon jetzt entscheiden werde. Er blickte ihre Reihe streng und finster durch. Er
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