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261 - Ein falscher Engel

261 - Ein falscher Engel

Titel: 261 - Ein falscher Engel
Autoren: Christian Schwarz
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sich plötzlich von ihm und machte einige Schritte auf das Burgtor zu.
    »Bleib stehen«, zischte Rulfan.
    Sie lächelte wieder. »Der vordere Turm wäre sehr schön, um darin zu wohnen. Aber ich will da sein, wo du bist, mein Aynjel.«
    Das fehlte ihm gerade noch. »Ein für alle Mal: Ich bin nicht dein Aynjel!«, sagte er schroff. »Ich kann mich nicht um dich kümmern, Ninian, also verschwinde endlich von hier.«
    Ninian stutzte und sah ihn forschend an. Dann nickte sie, drehte sich um und verschwand in leichtem Laufschritt im Wald.
    Rulfan blieb zurück, und das Gedankenchaos drehte sich weiter in seinem Kopf.
    Hätte er Ninian nicht der Gerichtsbarkeit übergeben müssen?
    Schließlich war sie eine Mörderin. Aber sie hatte es sozusagen als himmlischen Auftrag angesehen. Entband sie das von ihrer Schuld?
    ***
    15. Januar 2526
    Nach einem arbeitsreichen Tag legte sich Ayrin zu Pellam aufs Lager und kuschelte sich an ihn. Seit mehr als fünfundzwanzig Sommern waren sie nun Lebensgefährten und mochten sich noch immer.
    »Was lächelst du?«, brummte Pellam und küsste Ayrin auf die Stirn.
    »Ist dir eigentlich schon aufgefallen, wie unsere Myrial Rulfan anschaut?«
    »Was meinst du? Sie schaut ihn an, wie man seinen Herrn eben anschaut. Respektvoll und zuvorkommend.«
    Ayrin kicherte, nahm eine Strähne ihres langen schwarzen Haares und kitzelte ihn damit an der Nase. »Ich wusste es. Du bist mal wieder so blind wie ein Mol, mein alter Brummkepir. Myrial himmelt Rulfan an, das ist es.«
    Pellam schaute sie verdutzt an. »Du meinst… du meinst …«
    »Sie ist in ihn verliebt, das meine ich, ja.«
    »Aber das geht doch nicht. Er ist der Herr. So was geziemt sich nicht. Das wird eine Schwärmerei sein, der Herr sieht ja auch sehr gut aus für sein Alter. Aber das geht vorüber.« Ächzend drehte er sich und stützte sich auf den Unterarm. »Willst du, dass ich mal mit ihr rede? Das tust besser du, so von Woom zu Woom.«
    Wieder lächelte Ayrin. »Warum sollte ich das tun? Rulfan ist ebenso verliebt in sie.«
    Er starrte sie an. »Aber… aber das, ich meine, das habe ich gar nicht mitbekommen. Bist du sicher? Hm, weißt du was? Ich gehe noch kurz in die Küche und hole mir einen Mitternachtsimbiss, und dann erzählst du mir alles noch mal ganz ausführlich von Anfang an.«
    »Mach nur.« Ayrin kannte dieses Zeremoniell, seit sie zusammen waren. Pellam ging so gut wie jeden Abend vor dem Schlafengehen noch einmal in die Küche, um sich von den Resten zu holen, die beim Dinna übrig geblieben waren.
    Der Verwalter, der demnächst seinen fünfundsechzigsten Sommer begehen würde, erhob sich vom Lager, schlüpfte in Hemd und Hose und entzündete einen kleinen Handkerzenleuchter an dem großen, der das Schlafzimmer erhellte. Dann geisterte er über einen langen, mit Holzdielen ausgelegten Gang zur Treppe, denn der Küchentrakt lag im Erdgeschoss des Haupthauses.
    Pellam fröstelte, denn innerhalb des Hauses waren nur ein paar Räume geheizt, der Rest war eiskalt. Immerhin hatten sie es geschafft, die Fenster hier so abzudichten, dass der Wind nicht mehr hereinzog. Morgen und übermorgen würde er sich mit Anges zusammen auch die beiden Turmzimmer vornehmen. Aber alles zu seiner Zeit.
    Momentan freute sich Pellam auf das Stück saftigen Wakudabraten, das vom Dinna übrig geblieben war. Das Wasser lief ihm bereits im Mund zusammen. Er durchquerte die Küche und öffnete den Schrank, in dem das Bratenstück stand. Er holte es heraus und grinste zufrieden.
    So, so, meine kleine Myrial hat sich also in den Herrn verguckt , dachte er, während er nach Beilagen Ausschau hielt. War sie nicht erst vor kurzem noch ein kleines Mädchen, das mit Puppen gespielt hat? Wie schnell die Zeit vergeht, es ist unglaublich. Bin ja mal gespannt, was Ayrin mir so alles erzählen wird…
    Er war so in seine Suche und Gedanken vertieft, dass er den Schatten nicht bemerkte, der plötzlich hinter ihm auftauchte…
    ***
    Rulfan hatte sich lang auf seinem Lager ausgestreckt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er war müde von der harten Arbeit, aber der Schlaf wollte noch nicht kommen. Er dachte an Myrial und ein wohliges Gefühl rann dabei durch seinen Körper.
    »Aaaayyyyy!«
    Der schrille, durchdringende Schrei, der urplötzlich die Stille durchschnitt, ließ Rulfan von seiner Ruhestatt hochfahren. Blitzschnell griff er nach seinem Schwert, stürzte zur Tür und trat in den Gang hinaus. Der Schrei war aus dem Stockwerk unter ihm gekommen, wo
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