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2596 - Requiem für das Solsystem

2596 - Requiem für das Solsystem

Titel: 2596 - Requiem für das Solsystem
Autoren: Christian Montillon
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hinter mir.
    Ich sehe nach vorne.
    Ich bin ein Neo-Globist.

2.
    Reginald Bull
     
    Fran Imith schaute Bully an.
    Sie trug ihren eng anliegenden, dunkelvioletten Catsuit. Ihr Körper war schlank und biegsam. Das dunkelrote Lockenhaar leuchtete im Licht der untergehenden Sonne.
    Nur, dass die Sonne gar nicht untergehen konnte, weil es mitten in der Nacht war in Terrania City.
    »Endlich«, sagte sie. »Endlich haben wir Frieden, Reginald, und können miteinander reden.«
    Reginald?
    Mit weiten Schritten kam sie auf ihn zu. Über den wadenhohen Stiefeln waren ihre Beine nackt und perfekt schlank. Bully wollte etwas sagen, aber er konnte nicht. Sosehr er es auch versuchte, kein Wort kam über seine Lippen.
    Wieso nur? Was ist los mit mir? Und eben hat sie doch noch den Catsuit über den Stiefeln getragen?
    Im nächsten Moment stand sie nackt vor dem Glutball der Sonne, ein wundervoller Scherenriss. Sie breitete die Arme aus.
    Er ging auf sie zu. »Fran«, wollte er sagen, doch es ging nicht.
    Als er sich an die grelle Helligkeit gewöhnte, sah er, dass ihre Haare brannten. Ihre blauen Augen verwandelten sich in einen Teich, aus dem Tränen flossen und das Ufer benetzten.
    Reginald Bull, Terras Verteidigungsminister, wachte mit rasendem Herzschlag auf. Sein Atem ging schwer, und es dauerte Sekunden, bis er in der Wirklichkeit ankam.
    Ein Traum, nicht mehr.
    Ein Albtraum?
    Er fühlte sich so, doch er konnte sich nicht mehr richtig an die verwirrenden Bilder erinnern. Kein Wunder, dass sein Unterbewusstsein verrückt spielte.
    In diesen Tagen war es ohnehin kein Spaß, Bewohner des Solsystems zu sein. Mal wieder ...
    Aber als Verteidigungsminister die Verantwortung für die Sicherheit aller Einwohner zu tragen war mehr, als ein Mensch ertragen konnte. Dabei machte es keinen Unterschied, ob dieser Mensch nun einen Zellaktivator besaß oder nicht.
    Was waren schon ein paar Tausend Jahre Lebenserfahrung? Sie verblassten angesichts des Chaos und des bevorstehenden Untergangs einer ganzen Zivilisation.
    Bully setzte sich auf, atmete tief durch, schwang die Decke beiseite und ging in den Hygieneraum.
    »Licht«, sagte er leise.
    Fast erwartete er, etwas zu sehen, einen Nachhall des Traumes, der mehr und mehr verblasste. Doch da war natürlich niemand.
    Er suchte die Toilette auf und beugte sich danach über das Waschbecken. Obwohl er einen Zellaktivator trug, kam er langsam, aber sicher an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Auch und vor allem, weil er trotz seines überschäumenden Tatendrangs und Temperaments nahezu nichts tun konnte.
    Sie alle waren dem Untergang geweiht, und er musste zusehen.
    Vor einer Woche war das Feuerauge im Solsystem materialisiert. Seitdem ließ sich der Kristallschirm nicht mehr beliebig aus- und einschalten und entlang der Innenseite des Kristallschirms tobten heftige Entladungsreaktionen. Normalerweise war der Schirm undurchdringlich schwarz, ein Bollwerk gegen alles und jeden.
    Und nun? Ein schreckliches Chaos! Seit Tagen bohrten sich rote Tryortan- Schlünde trichterförmig in den Raum, Blitze zuckten heraus. Hyperstürme warfen die Wirklichkeit durcheinander und fraßen sie auf. Ein Psi-Sturm tobte im gesamten Heimatsystem der Menschheit.
    Bully ließ Wasser in das Becken plätschern, tauchte die Hände hinein und spritzte es sich ins Gesicht. Die Kühle tat gut, und plötzlich musste er lachen.
    Vor einer Woche?
    Das galt beim besten Willen nicht mehr. Der Morgen des 9. Mai war angebrochen, und das Feuerauge war am 30. April aufgetaucht.
    Da hast du wohl mehr als einen kompletten Tag vergessen, Bully.
    Ein weiterer Tag ohne Erfolg, den er zu gern aus der Geschichte des Universums gestrichen hätte.
    Er trocknete sich die Hände und ging zurück zum Bett. Ein Wassertropfen lief über seine Stirn und blieb in den Wimpern hängen. Er blinzelte ihn weg.
    Die Daten konnte er jederzeit auswendig herunterbeten: Die Katastrophe hatte vor neun Tagen um 20.22 Uhr begonnen. Seitdem tickte die Uhr des Untergangs.
    »Armageddon ist in vollem Gange« - so hatte es jüngst ein Journalist ausgedrückt. Bully hatte den Artikel gelesen, ehe er eingeschlafen war. Keine sehr schöne Gutenachtgeschichte.
    Terras unerschütterlicher Verteidigungsminister, ein Mann, der in der Öffentlichkeit nie wankte, sondern Zuversicht verströmte wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung, setzte sich wie ein Häufchen Elend auf sein Bett.
    Tagsüber, im Amt, schmiedete er Pläne gegen das Feuerauge, auch wenn er ahnte,
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