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2596 - Requiem für das Solsystem

2596 - Requiem für das Solsystem

Titel: 2596 - Requiem für das Solsystem
Autoren: Christian Montillon
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heimlich und unspektakulär.
    Die Lücke im Parablock schloss sich. Er musste aktiv bleiben.
    Denn es galt, eine Superintelligenz zu retten, die schon so gut wie tot war. Ein Riss lief durch die mentale Substanz, den niemand mehr kitten konnte.
    ES lag im Sterben.
    Wie Iltu und Jumpy gestorben waren.
    Gucky schottete sich ab und tauchte unter, verband sich mit den anderen. Eins mit dem Parablock. Retten, was nicht mehr zu retten war. Alles war besser als nachzudenken.
    Wie schön die Ebene war, im Gleichklang der Bewusstseine. Wie heilend für zerbrochene Seelen, die nicht mehr hatten existieren wollen und die nun erkannten, wie wertvoll das Leben an sich war.
    *
    Irgendwann löste sich Gucky aus dem Parablock. Atlan hatte ihm eine Funknachricht zukommen lassen, was der Mausbiber durch die Vibration des Empfängers an seinem Handgelenk sogar dort drüben gespürt hatte.
    Er machte sich auf den Weg zur ATLANTIS. Doch er teleportierte nicht, sondern ging zu Fuß.
    Langsam drehte er sich um. Von seinem Platz aus sah er eine schier unüberschaubare Menge von Menschen: den Parablock. Sie standen, meist mit geschlossenen Augen, einfach da. Manche starrten ins Leere, nicht in die Wirklichkeit, sondern in die Regenbogenebene der Psi-Realität, durch die Gucky eben noch geschwommen war.
    So, wie er nun eine Strukturlücke im Schutzschirm schaltete und durch die Schnee- und Eislandschaft von Talanis wanderte.
    Wind peitschte ihm entgegen, kleine Hagelkörner prasselten auf den Körper. Sie blieben in seinem Fell hängen. Die Kälte spürte er kaum. Vielleicht war er zu abgestumpft, womöglich auch in Gedanken zu sehr beschäftigt.
    Sein Ziel bildete die ATLANTIS, das Schiff des Arkoniden Atlan, das unter einer dicken Eisschicht lag. Schneeverwehungen türmten sich an ihren Seiten meterhoch. An manchen Stellen schien das Weiß matt zu leuchten; der letzte Rest des Lichtes aus dem Inneren des Raumers.
    Gucky stapfte weiter. Einen Augenblick lang überlegte er, doch noch zu teleportieren, aber er wollte es aus eigener Kraft schaffen. Vielleicht war es dumm oder kindisch, doch für ihn war es wichtig.
    Die Anstrengung zeigte ihm, dass er tatsächlich noch lebte.
    Im Schneesturm konnte er die Schleuse nur erahnen. Wie stets stand sie offen, nur durch ein kleines Kraftfeld geschützt, das die Schneemassen draußen hielt. Auch dort schaltete Gucky eine Strukturlücke.
    Innerhalb des Schirmfelds herrschte angenehme Wärme. Der Schnee auf seinem Gesicht schmolz und tropfte zu Boden.
    Ehe er Kontakt mit Atlan aufnehmen konnte, meldete sich dieser per Funk. »Es ist gut, dass du hier bist, Gucky!«
    »So?«
    »Komm zu mir in den Besprechungsraum neben der Zentrale. Ich habe interessante Neuigkeiten!«
    *
    »Fühlst du dich besser?«, fragte Atlan. Der Arkonide war allein im Raum, stand vor einem Hologramm, das er fast vollständig mit seinem Körper verdeckte.
    »Ich kompensiere. Das klingt vielleicht nicht besonders enthusiastisch, aber ...«
    »Aber es ist viel angenehmer als ... «
    »Wenn du mich nicht ausreden lässt«, unterbrach Gucky, »falle ich dir eben auch ins Wort. Erinnere mich ja nicht daran, wie es mir ging, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
    Atlan lächelte. »Es ist nicht gerade lange her.«
    Noch vor Kurzem hatte der Mausbiber nicht etwa befürchtet zu sterben ... sondern sich davor gefürchtet, weiterleben zu müssen. Der Verlust von Iltu und Jumpy hatte ihm jegliche Energie und jeden Lebenswillen geraubt. Er hatte seine Geliebte und seinen Sohn wiedergefunden, nach einer schieren Ewigkeit - nur, um mitzuerleben, wie die beiden starben.
    Ein grausames Schicksal. Grausam. Das passte zu dieser Zeit, zu den Veränderungen in vielen Galaxien, seit der Krieg mit der Frequenz-Monarchie begonnen hatte und die Superintelligenz ES offenbar im Sterben lag.
    »Jeder bewältigt Trauer auf andere Weise.« Atlan beugte sich zu seinem Gast. Die langen weißen Haare rutschten über die Schulter und hingen vor der Brust; die Spitzen strichen über Guckys pelziges Gesicht. »Die Seele ist erfinderisch in dieser Hinsicht.«
    Der Mausbiber schwieg. Eine Menge Erwiderungen lagen ihm förmlich auf der Zunge, doch er schluckte sie alle hinunter. Was nützte es, einen bitteren Kommentar abzugeben oder einen lockeren Spruch, der über sein wahres Empfinden hinwegtäuschen sollte? Einen so alten Freund wie Atlan konnte er ohnehin nicht zum Narren halten. Sie kannten einander zu lange, um voreinander Masken zu tragen.
    Der Arkonide
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