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2592 - Im Zeitspeer

2592 - Im Zeitspeer

Titel: 2592 - Im Zeitspeer
Autoren: Leo Lukas
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des Kieswegs lagen Felder, auf denen verschiedene Fremdwesen arbeiteten. Manche pflügten, manche säten, manche eggten ... Wie schon das Picknick unter den Palmen, wirkte auch diese Szenerie auf Tifflor unwirklich zeitlos, geradezu verdächtig idyllisch.
    Über allem lag der Schein einer goldfarbenen Herbstsonne. Malerwetter oder Indianersommer, wie man früher gesagt hatte. Vor langer Zeit, als Julian Tifflor jung war und jeden Tag ein wenig älter wurde ... Wenn er den Kopf in den Nacken legte und nach oben schaute, war keine Sonne zu sehen - nur Dunst, eine diesige, goldglühende Nebeldecke in unbestimmbarer Höhe.
    Aus den Furchen eines lang gestreckten Ackers ragten Pflanzenspitzen, gerade und dick wie Lanzen. Aus dem lehmigen Boden des nächsten drängten Früchte, die an antike Helme erinnerten.
    Zwischen den Feldern schlängelte sich ein Bach dahin. Ab und zu staute er sich zu kreisrunden Tümpeln. In ihren nachtschwarzen Tiefen funkelten Lichtpunkte wie Sterne.
    Hätte man Tifflor früher einmal einen Prospekt dieser Anlage gezeigt und ihm angeboten, hier seinen Lebensabend zu verbringen, er hätte es sich ernsthaft überlegt. Früher einmal; als sein Zellaktivator noch funktionierte und ihm der Gedanke an einen Lebensabend ferner lag als das Ende des Universums.
    Jetzt vermochte er sich der paradiesischen Ruhe nicht zu erfreuen. Er fürchtete, Zeit zu vergeuden, wertvolle Zeit, die ihm am Ende fehlen könnte.
    Ungeduldig zog er immer wieder das Tempo an. Aber seine unsichtbare Eskorte hielt ihn zurück, bremste ihn, zügelte ihn mit sanften, doch unnachgiebigen Zwergenfingern.
    Fragte er leise, was sie von ihm wollten, wurde er begütigend getätschelt. Wies er darauf hin, dass er unter großem Zeitdruck stand, streichelte man ihm über die Schenkel.
    Andere Reaktionen erntete er nicht, wie eindringlich er auch flüsterte.
    *
    Es ging einen flachen Hügel hinan und auf der anderen Seite hinunter in eine Senke, fast zur Gänze gefüllt mit niedrigen Schuppen, die sich um ein prunkvolles Landhaus gruppierten.
    Gedrungene dunkle Gestalten eilten emsig hin und her. Tiff hätte sich nicht gewundert, wenn es Indios mit breiten Sombreros gewesen wären. Beim Näherkommen erwiesen sie sich jedoch als Roboter, deren mattbraune Oberflächen kaum Licht reflektierten.
    Er wurde in eine der Scheunen gebracht. Unsichtbare Hände verriegelten das Holztor. Dann endlich desaktivierten Tiffs Lotsen ihre Tarnfelder.
    Sie waren zu zweit; humanoid und kleinwüchsig, wie er vermutet hatte, höchstens neunzig Zentimeter groß. Durch ihre transparente Haut ließen sich die inneren Organe erkennen.
    Die runzligen Gesichter mit den dreieckigen, tief liegenden Augen erweckten einen verschlagenen, bösartigen Eindruck. Aber das musste nichts heißen. Tiff hatte schon vor langer Zeit gelernt, nicht vorschnell nach menschlichen Maßstäben zu urteilen.
    Die kurzen, dünnen Finger waren unablässig in Bewegung. Ein penetrant süßlicher Geruch ging von den beiden Gnomen aus, die o-beinig dastanden, nach hinten gelehnt, auf dünne, knöcherne Schwänze gestützt.
    Kaum hatten sie sich Tiff gezeigt, wieselte der eine zu einem Heuhaufen, wühlte darin und präsentierte triumphierend eine etwa handtellergroße Scheibe, die er hektisch anbellte. Dann vollführte er, an Tifflor gerichtet, eine einladende Geste.
    Tiff ließ sich nicht lange bitten. Diese Prozedur kannte er zur Genüge.
    Laut und deutlich sagte er die Zahlen von eins bis einundzwanzig auf, dann die standardisierten Sätze: »Ich - bin - Terraner. - Ich - heiße - Julian Tifflor. - Ich - komme - in - Frieden.«
    Anschließend rezitierte er ein Gedicht, das in komprimierter Form die wichtigsten Phoneme, Wortstämme, syntaktischen und grammatikalischen Strukturen des Interkosmo enthielt. Der Sinn war dabei zweitrangig, es ging darum, möglichst kompakt die Eigenheiten seiner Muttersprache zu vermitteln.
    Während er den Translator fütterte, betrachtete Tiff seine zwergenhaften Gegenüber genauer. Sie sahen aus wie eine Mischung aus den Kriegsordonnanzen der Frequenzfolger und den Singuva, den »Animateuren« der Ewigen Krieger, die sich später als die wahren Machthaber in den zwölf Galaxien ESTARTUS entpuppt hatten.
    Bestand hier ein historischer Zusammenhang? Tiff wäre fasziniert gewesen und dem gerne nachgegangen, hätten ihn nicht dringlichere Sorgen bedrückt.
    Durch drei kurze Pieptöne signalisierte die Translator-Scheibe, dass sie genügend Daten gesammelt hatte. Die
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