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259 - Die Stunde der Wahrheit

259 - Die Stunde der Wahrheit

Titel: 259 - Die Stunde der Wahrheit
Autoren: Michelle Stern
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drückte beruhigend ihre Hand. Sie blieben in ihrem Versteck hinter dem Balg, bis sie die Stadt ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten. Erst im freien Meer kamen sie zögernd hervor.
    »Danke, Ner'je.« Quart'ol setzte sich zu ihr in den Leitstand. »Du hättest allen Grund, an mir zu zweifeln.«
    »Ich kenne und vertraue Bel'ar«, sagte die Hydritin knapp. »Ihre Freunde sind meine Freunde.«
    Quart'ol sah hinaus in den freien Ozean, in den die bionetischen Scheinwerfer Kegel aus Licht bohrten. »Du wirst dein Vertrauen nicht bereuen.«
    ***
    Zwei Wochen waren sie bereits unterwegs. Zwei Wochen ohne Pause, ohne Rast. Dennoch hatten sie erst die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Sie konnten die Transportröhren nicht benutzen, da sie Spuren an den Knotenpunkten hinterlassen hätten. Außerdem wollten sie keinen anderen Hydriten begegnen. Sie vermieden die üblichen Routen und die Städte. Das Meer bot genug Raum, um unentdeckt zu bleiben. Noch reichte der Proviant an Tiefsee-Ko'onen aus, den Bel'ar besorgt hatte. Sie aßen alle wenig. Die Qualle filterte Plankton und war ohnehin autark.
    Quart'ol blickte ins tiefschwarze Meer mit den beiden Lichtkegeln, die ihre treuen Begleiter waren. Ihre Enden überschnitten sich und leuchteten das Wasser weitläufig aus.
    Bel'ar saß neben ihm am Leitstand, während Ner'je sich nach hinten in den Passagierraum der Qualle gelegt hatte. Das bionetische Material des Balgs war für sie zu einer großen, leicht gewölbten Schale geworden, in der sie schlafen konnte. Eine dünne, eingezogene Membranwand schirmte die Geräusche aus dem Leitstand ab.
    Was jetzt wohl gerade in Gilam'esh'gad geschah? Ob es allen gut ging? Auch Gilam'esh? Der Hydrit klackerte leise und abwesend.
    Bel'ar sah ihn misstrauisch an. »Quart'ol… was ist mit dir los? Auch wenn wir uns lange nicht gesehen haben… ich kenne dich. Du verheimlichst mir etwas.«
    »Was?« Quart'ol schreckte aus seinen Gedanken.
    »Ich weiß genau, dass es so ist. Spiel nicht den Unschuldigen.« Bel'ar stand auf und streckte sich. Ihre vollen Brüste gaben ihrer Kontur im Halbdunkel auf dem Leitstand eine aufregende Form. Sie bemerkte seinen Blick und drehte sich zu ihm um.
    »Es ist so lange her. Und doch war ich überglücklich, als ich dich sah. Deine Augen haben dich sofort verraten. Selbst mit der bionetischen Maske sahst du…« Sie verstummte.
    Quart'ol stand ebenfalls auf. Er trat dicht an sie heran. »Ich habe dich vermisst.«
    Sie schmiegte sich an ihn. »Ja. Das hast du. Und du verheimlichst mir etwas. Was ist es?«
    »Ich mache mir Sorgen um die Stadt. Um meine Freunde.« Er legte seine Arme um sie. Sie drehte sich darin um. Ihr muschelbesetztes Oberteil streifte seinen nackten Oberkörper.
    »Da ist noch mehr.«
    »Ich…« Quart'ol hielt den Atem an, als er die leichten Wellen unter ihren Händen fühlte. Ihre Finger mit den Schwimmhäuten dazwischen waren nur eine Muscheldicke entfernt. »Es ist… Ich kann es dir nicht sagen. Noch nicht…«
    Ihre Finger senkten sich auf seine Haut. Sie legte den Kopf leicht schräg. Ihr gelber Scheitelkamm leuchtete verführerisch in der Dunkelheit. Als habe er sein eigenes Licht. Sie zog ihn an sich. Ihre Lippen berührten die seinen.
    Quart'ol vergaß all seine Sorgen. Er tauchte in sie ein, genoss ihre Nähe und Wärme.
    Nach einer Ewigkeit löste sie sich von ihm. Einer Ewigkeit, die nach Quart'ols Willen niemals hätte enden dürfen.
    »Sag es mir. Was ist das Geheimnis, das du vor mir verbirgst?« Wieder legten sich ihre Lippen auf seine, wanderten tiefer, hin zu den empfindlichen Kiemen am Hals.
    »Gilam'esh«, klackerte Quart'ol flüsternd. »Er ist in der Stadt.«
    Er bereute seine Worte augenblicklich, denn Bel'ar schreckte jäh vor ihm zurück. »Was?«, entfuhr es ihr.
    »Nicht so laut! Du weckst Ner'je!«
    »Gilam'esh…? Wie kann das sein? Erzähl mir alles darüber!«
    Quart'ol sah bedauernd auf ihre vollen Lippen. Er begann zu erzählen, wie Gilam'eshs Geist im Körper eines Menschen, einem Freund von Matthew Drax, nach Gilam'esh'gad gekommen war. »Er wird bald einen erwachsenen Klonkörper haben und die Städte der Hydriten bereisen.«
    »Gilam'esh!« Bel'ars Augen glänzten stärker denn je. »Der Prophet… Das wird unsere Welt verändern…«
    »Ja, das wird es.« Quart'ol griff schüchtern nach ihrer Hand. Hatte sie ihn nur geküsst, um zu erfahren, was sie wissen wollte? Oder fühlte sie wirklich etwas für ihn?
    Bel'ar schlang ihre Arme um seinen Hals
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