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259 - Die Stunde der Wahrheit

259 - Die Stunde der Wahrheit

Titel: 259 - Die Stunde der Wahrheit
Autoren: Michelle Stern
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Wächter und Man'tane. Mehrere Quallen der Wache waren unterwegs. Hydriten standen oder trieben in kleinen Gruppen zusammen und redeten aufgeregt.
    »Was, glaubst du, hat man ihnen gesagt?« Quart'ol ließ sich auf die Sitzfläche an der Quallenwand sinken.
    »Ich habe es noch gehört, als ich auf dem Weg zur Krankenstation war. Sie behaupten, du wärst ein gesuchter Mörder. Du sollst die Quan'rill Baq'al umgebracht haben.«
    »Baq'al?« Quart'ol erinnerte sich genau. Sie war ein Spitzel des Gilam'esh-Bundes gewesen, der Quart'ol nach seiner Verbannung überwachen sollte. Er hatte sie tatsächlich töten müssen, aber in Notwehr. Dann hatte er es so aussehen lassen, als wären Baq'al und er einem Riesenoktopus zum Opfer gefallen. [2]
    Quart'ol ließ sich besorgt zurücksinken. Wenn man ihn schnappte, war das sein Todesurteil. Die Wahrheit würde er nie beweisen können.
    Die Qualle glitt aufreizend langsam durch das Wasser, als habe Ner'je alle Zeit der Welt. Quart'ol wäre es lieber gewesen, sie hätte sie mit Turboantrieb aus der Stadt katapultiert. Allerdings war das, was Ner'je tat, richtig: Sie durften keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    In gemächlicher Fahrt erreichten sie das äußere Tor.
    Quart'ol klammerte seine Flossenhände um die Lehnen des Sitzes. Die Qualle wurde langsamer. Der Sauerstoffanteil in ihrem Inneren schien plötzlich rapide abzunehmen. Bel'ar und Quart'ol sogen das Wasser heftig zwischen die Kiemen.
    »Was passiert da draußen?« Quart'ol konnte aus seiner Position das Handzeichen von Ner'je sehen. Die Hydritin bedeutete ihnen, hinter den Balg in der Mitte der Qualle abzutauchen. Er diente als Ablagefläche und konnte bei Bedarf zu einer Schlafliege umgeformt werden. Quart'ol und Bel'ar glitten von den Sitzen und kauerten sich dicht aneinander. Der Wissenschaftler lugte durch einen Spalt zwischen zwei erhöhten Elementen des Balgs.
    »Ratsherrin Ner'je«, klackerte die tiefe Stimme eines männlichen Hydriten. »Die Stadt wird abgeriegelt. Niemand darf sie verlassen.«
    »Ich nehme an, das gilt nicht für die Mitglieder des HydRats.«
    »Nun…« Der Hydrit zögerte. »Wo wollt Ihr denn hin?«
    »Ich habe einen Auftrag des Rates. Ich muss neue Baupläne nach Borna bringen, für das gemeinsame Projekt.«
    »Fahrt Ihr allein?«
    »Natürlich. Was ist denn hier los? Warum diese Sicherheitsvorkehrungen und die vielen Wächter?«
    Die Stimme des Hydriten wurde leiser. »Ein Mörder ist in der Stadt unterwegs.«
    »Unmöglich!«, brachte Ner'je hervor. Sie klang überzeugend entsetzt. »Ein Mar'os-Jünger?«
    »Nein, so weit ich weiß. Er soll ein ehemaliger Wissenschaftler sein. Einer, der den Quan'rill ihr Talent der Geistwanderung neidet.«
    Quart'ol konnte gerade noch ein zorniges Klackern unterdrücken. Er gehörte selbst der Kaste der Quan'rill an und hatte bereits mehrfach den Körper gewechselt. Einmal hatte er sogar in einem Menschen gelebt - als er sich im Geist von Matthew Drax verankert hatte, nachdem Barbaren seine sterbliche Hülle umbrachten. Ganze sechs Monate hatte es gedauert, bis er in seinen neuen, jetzigen Körper umziehen konnte. Eine Zeit, in der er viel über die Menschen gelernt hatte.
    »Wie verabscheuungswürdig.« Ner'je lehnte sich weiter nach vorn. »Ich hoffe, man findet ihn bald und führt ihn seiner gerechten Strafe zu.«
    »Das hoffe ich auch. Darf ich an Bord Eurer Qualle kommen? Eine reine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Natürlich.« Ner'je schaffte es, ihre Stimme sehr kühl klingen zu lassen. »Wenn Sie denken, ich würde einen Mörder aus der Stadt bringen.«
    Der Hydrit kam zögernd näher; Quart'ol hörte seine Bewegungen im Wasser. Er kauerte sich noch tiefer hinter den Balg. Das Licht einer bionetischen Lampe fuhr über den Innenraum.
    Bel'ar krampfte ihre Hand fest um seine. Er hörte sein Herz heftig pochen. Gleich war es aus. Wenn der Wächter nur einen Schwimmzug näher kam…
    Aber nach der kühlen Bemerkung der Ratsherrin war ihm wohl danach, die Untersuchung so rasch wie möglich hinter sich zu bringen. Er zog sich schon wieder zurück.
    »Sind Sie hier fertig, Wächter?«, klackerte Ner'je jetzt. »Ich habe nicht ewig Zeit.«
    »Ja, ich bin fertig, Ratsherrin. Vielen Dank für Euer Verständnis.«
    »Vielen Dank für Ihren Einsatz. Ich hoffe, ihr findet dieses Ungeheuer.«
    Die Qualle schloss sich. Quart'ol atmete auf. Neben sich spürte er Bel'ar, die erst jetzt heftig zu zittern begann. »Das war knapp«, flüsterte sie klackernd.
    Quart'ol
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