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2579 - Der Spieler und die Toten

2579 - Der Spieler und die Toten

Titel: 2579 - Der Spieler und die Toten
Autoren: Marc A. Herren
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krümmten.
    Die Konzentration auf sich selbst half nicht. Alaska wurde zum Boten und zur Prinzessin, die

aufgeregt reagierte, als sie von dem stattlichen Mann zum Tanz aufgefordert wurde.
    Saedelaere wusste, dass er sich so schnell wie möglich aus diesem bizarren Schauspiel

entfernen, abnabeln musste, wenn er zwischen den mühlsteinartigen Gefühlsblöcken nicht zerrieben

werden wollte.
    Lange stand er das alles nicht mehr durch.
    Während sich die Prinzessin und der Abgesandte während des Tanzes langsam näher kamen und die

ersten sexuell eindeutigen Gefühlsbilder entstanden, wechselte der Fokus zurück zum Kanzler und

zum Narren.
    Der Beamte hatte seinen Widersacher am schmalen Oberarm gepackt und mit schraubstockartigem

Griff hinaus auf den Balkon bugsiert.
    Der Blick über die Brüstung fiel atemberaubend aus. Tief unter ihnen bewegte sich der See, das

schwarze Wasser, aufgewühlt und unstet, versinnbildlichte die Gefühlswelt der beiden ungleichen

Männer.
    Am anderen Ufer erhob sich das Schloss Elicon, düster und Angst einflößend. Alaska glaubte

durch die Augen des Kanzlers einen schmalen Riss in der Schlossmauer auszumachen, der vom Boden

bis zur höchsten Zinne verlief.
    Dunkle Gewitterwolken hingen tief und schwer, verdeckten die Sicht auf die Zwillingssonnen,

lagen über der Szenerie wie ein riesiges verschmutztes Öltuch.
    Saedelaere stöhnte auf, als in dem Kanzler neuerlich der Zorn eruptierte. Er ballte die Hände

zu Fäusten. Am liebsten hätte Alaska den lächerlich dünnen Hals des Narren gepackt und so lange

zugedrückt, bis alles Leben aus dieser nichtsnutzigen Gestalt gewichen wäre.
    Der Kanzler drohte dem Narren. Er beschuldigte ihn, der geistigen und moralischen

Weiterentwicklung des Reichs der Harmonie im Weg zu stehen. Ihm fehle der Durchblick, um im

Konzert der »Großen und Gescheiten« ein Instrument zu spielen.
    Während der Beamte die Vorwürfe wie Giftpfeile abfeuerte, blieb der Narr erstaunlich ruhig.

Alaska spürte, dass der kleine Mann selbst noch Pfeile im Köcher stecken hatte.
    Die Nonchalance des Narren ergoss sich wie Öl in das Zornesfeuer des Kanzlers. »Und du bist

nicht witzig!«, rief er.
    Der Narr fasste sich an die Brust: »Aaah!«, rief er theatralisch. »Genau dorthinein bohrt Ihr

den Spieß, wo es mich am meisten schmerzt!«
    Alaska bebte und zitterte in der Wut des Kanzlers. »Ich schwöre dir: Viel fehlt nicht und ich

erwürge dich mit bloßen Händen!«
    »Wenn Ihr mich umbringen wollt, tut es schnell!«, forderte der Narr. »In meinem Kopf befinden

sich Informationen, die Euch wenig gefallen würden, wenn Ihr sie wüsstet. Ebenso, wie der König

... «
    Eisiger Schrecken erfasste den Kanzler. Die Empfindung verstärkte sich, als der Hofnarr

verkündete, dass er auf eigene Faust Erkundigungen eingezogen hatte. Reisende und Pilger hätten

ihn mit Bilderkugeln »von nah und fern« versorgt.
    Der Schrecken des Kanzlers wandelte sich zu nackter Angst. Alaska fühlte, dass der

Staatsbeamte Dinge wusste, die bisher nicht zur Sprache gekommen waren.
    In der Logenkapsel hörte Saedelaere ein Knirschen. Er nahm an, dass es von den Zähnen stammte.

Das Flattern der Augen fühlte er deutlicher, trotzdem half es ihm nicht, den Blick vom Geschehen

zu nehmen. Er sah das Schauspiel nicht durch seine eigenen Augen.
    Zu all den Gefühlen der Figuren im Spiel türmte sich ein weiteres auf, das, wie Saedelaere mit

Schrecken bewusst wurde, nichts anderes als seine eigene Todesangst war.
    Der Narr frohlockte derweil. Er erzählte dem Kanzler, dass er durch die Bilderkugeln mit

eigenen Augen gesehen hatte, welches Schicksal jenen Völkern drohte, die für die Hohen Mächte

arbeiteten.
    »Ihr kennt die weit entfernte Provinz von TRYCLAU-3? Tod, Vernichtung und Zerstörung haben die

erbitterten Feinde der Hohen Mächte dort angerichtet.«
    Irgendwo in Saedelaeres Hinterkopf formulierte eine fremde - seine eigene? - Stimme die

Wörter »Kosmonukleotid« und »Traitanks«. Sie sagten ihm etwas, aber er konnte darauf keine

Rücksicht nehmen. Der Mann in der Logenkapsel musste seine gesamte Konzentration aufwenden, um

einen Schild gegen die in das Unendliche übersteigerte Wut des Kanzlers aufzubauen.
    Es gelang nicht.
    Saedelaere wusste, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, dem tödlichen Zerren und Reißen der

Gefühle zu entrinnen.
    »SE...RUN«, krächzte er.
    »Wollt Ihr die Gesichter der Sterbenden sehen?«, fuhr
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