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2579 - Der Spieler und die Toten

2579 - Der Spieler und die Toten

Titel: 2579 - Der Spieler und die Toten
Autoren: Marc A. Herren
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hereinspaziert!«, rief Alaska euphorisch. »Maskenball ist's! Die Gelegenheit,

Eure gramverzogene Fratze unter fremden Angesichtern zu verstecken!«
    Der Bote der Hohen Mächte betrat in einem illuminiert hellblauen Anzug den Maskenball. Er war

eine humanoide Lichtgestalt von perfektem Wuchs, strahlte Offenheit und Freundlichkeit aus und

strotzte innerlich vor Selbstbewusst- sein. Er, der Bote, Alaska, war vom Auftrag, das Reich der

Harmonie für seine Auftraggeber zu gewinnen, zutiefst überzeugt.
    Für einen kurzen Moment fand er in der ausgeglichenen Gefühlswelt des Boten Halt. Aber gleich

darauf war er wieder in der Brust des Narren, der den Boten voll inneren Argwohns musterte.
    Was er sah, passte wenig zu den Anschuldigungen und Verdächtigungen. Die Augen des Boten

blickten wachsam und gütig, die eleganten Bewegungen glichen jenen eines Katzenwesens.
    »Welch außergewöhnliche Begrüßung«, sagte der Bote mit dunkler, wohlklingender Stimme. »Wir

neigen unser Haupt vor dem edlen Narren.« Er verbeugte sich.
    »Da seid Ihr ja, vornehmer Bote!« Der Kanzler schob seine korpulente Gestalt vor den Narren,

breitete die Arme aus. »Darf ich Euch mit den Vorzügen dieses Raumes vertraut machen?«
    Der Bote zeigte ein feines Lächeln. »Gewiss, gewiss!«, sagte er.
    Die beiden gingen in den Ballsaal, während sich die Prinzessin dem Hofnarren näherte. Alaska

spürte, dass sie dem Boten bereits weniger Misstrauen entgegenbrachte als zuvor.
    Sie wechselten ein paar Sätze.
    Der Narr wollte sich nicht beruhigen lassen. Alaska fühlte den Hass des Hofnarren als seinen

eigenen. Er wurde durch die Bemerkungen der Prinzessin weiter genährt, die sich mehr und mehr auf

die Seite des Boten schlug.
    Der Bote hatte die Prinzessin durch seine charismatische Präsenz beeindruckt. Als sie dem

Narren unterstellte, dass er dem Boten keine faire Chance gäbe, sein Anliegen darzulegen,

vermischte sich der Zorn des Narren mit nackter, panischer Angst. Neben der Sorge um das Reich

der Harmonie fürchtete er, die Prinzessin für alle Zeiten an den Boten zu verlieren.
    Saedelaere zitterte vor Erregung.
    »Prinzessin!«, rief Alaska als Narr. »Habe ich Euch je belogen? Betrogen? War ich Euch nicht

stets ergeben in höchster Loyalität? Wie könnt Ihr dem Narren so misstrauen?«
    »Weil er ... weil er nur ein Narr ist?« Die letzten Worte hauchte sie bloß. Ihr wurde

schlagartig bewusst, dass sie den Narren fälschlicherweise beschuldigte.
    Im Innersten seiner Seele verletzt, drehte sich der Narr um, wankte steifen Schrittes davon.

»Das Lächeln festgefroren auf den Lippen«, bröckelten die Worte voller Bitterkeit aus ihm heraus,

»wendet er sich ab, der Narr, der Tor.«
    Tränen schossen in Saedelaeres Augen, liefen in heißen Spuren über seine Wangen, vermischten

sich mit dem kalten Angstschweiß, an dem die Maske klebte.
    Er legte seine gesamte Willenskraft in den Versuch, aus dem Sessel zu rutschen und die

Steuerung der Logenkapsel dazu zu bewegen, ihn aus der Nähe dieses fürchterlichen Schauspiels zu

bringen.
    Mehr als ein Zittern brachte er nicht zustande. Es weitete sich auf Saedelaeres ganzen Körper

aus. Plötzlich fror er wie im tiefsten Winter. Seine Zähne klapperten, er verlor das Gefühl in

den Fingern und Zehen.
    Erbarmungslos wurde der Fokus des Schauspiels auf die nächste Szene gelenkt. Der Bote erhielt

die lange erwartete Audienz beim König.
    »Es ist beileibe nicht an der Zeit für Politik«, sagte Alaska als alter Monarch. »Aber Ihr

sollt Gelegenheit haben, das Ohr des Königs mit Euren Wünschen zu füllen.«
    »Es sind nicht unsere Wünsche allein, Eure Exzellenz«, gab der Bote zurück.
    »Es sind unser aller Wünsche, denn ich spreche für die Hohen Mächte. Und wer - wenn nicht sie

- weiß besser, was für uns alle das Beste ist? Deshalb sind ihre Wünsche immer auch unsere aller

Wünsche.«
    »Mutige Worte, o Bote!«, sagte der König. Der Auftritt des Boten geriet ganz nach seinem

Geschmack.
    Während sich der Abgesandte der Hohen Mächte gekonnt in Szene setzte, hing der Kanzler wie

gebannt an dessen Lippen - und im Narren klopfte der Zorn heftig gegen seine Brust.
    Er machte einige abschätzige Bemerkungen, die aber den Boten keine Sekunde lang aus der Ruhe

brachten. Ganz im Gegensatz zum Kanzler, der den Narren am liebsten gegen eine Wand geschleudert

hätte.
    Nach einigem einleitenden Geplänkel zog der Bote plötzlich eine Bilderkugel
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