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2579 - Der Spieler und die Toten

2579 - Der Spieler und die Toten

Titel: 2579 - Der Spieler und die Toten
Autoren: Marc A. Herren
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linken Hand hielt.

Darin waren ein großer feister und ein schmalerer, ungleich kleinerer Mann abgebildet.
    Martus zog die Kugel auseinander. Sie blies sich auf, einer riesigen, schillernden Seifenblase

gleich. Orsen Tafalla, in der Kostümierung des Kanzlers, und Gommrich Dranat im Narrenkostüm

deuteten eine Verbeugung an. Gleich darauf erkannte man den Grund für ihre Geste: Leichtfüßig

tänzelte die Prinzessin an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Begleitet wurde sie

von dem Boten der Hohen Mächte. Der Hofnarr blickte nachdenklich in die Richtung, aus der sie

gekommen waren.
    Das Bild verschob sich leicht, worauf der König - verkörpert durch Noser Netbura - sichtbar

wurde. Er hielt die Arme verschränkt. Die Geste wirkte weit weniger erhaben und entschlossen, als

sie von einem Mann seines Ranges erwartet wurde. Die leicht gebeugten Schultern, der unruhige

Blick und das leicht nervöse Wippen des linken Fußes zeugten von der inneren Anspannung und der

Sorge des Patriarchen.
    Eroin Blitzer bewegte den Finger auf dem Querbalken hin und her, erhielt weitere Bilder der

Mimen sowie der Rollenbilder, die sie interpretierten.
    Er besah sich das Aufzeichnungsgerät nochmals von allen Seiten, bevor er es zur Seite

legte.
    Die achtbeinigen Tiere krabbelten an der Mumie des Kritikers empor, warfen Leimfäden aus und

zogen die von Blitzer zerrissene Schale des Kokons wieder über dem ausgetrockneten Leib

zusammen.
    Eroin Blitzer durchsuchte die Zentrale der PROTENOR GAVRAS, fand aber keine weiteren Dinge,

die ihn interessierten. Mit seiner Plastikkarte maß er den Raum exakt aus, bis er die Zugänge zu

den anderen Teilen des Schiffes fand.
    Im Verbindungsgang hob er die Luftundurchlässigkeit seiner Schirmblase kurz auf. Er hätte es

besser nicht getan.
    Obwohl in dem Gang keine nachgebildete, halborganische Sumpflandschaft installiert war,

rebellierten seine Sinne augenblicklich gegen den Gestank, den er wahrnahm.
    Er machte die Modulation des Schirmes rückgängig, eilte weiter, den Lichtkegel seines

Scheinwerfers ließ er über die Wände, Decke und Böden gleiten.
    Dann fand er die Leichen: Dutzende, Hunderte, vielleicht Tausende.
    Die PROTENOR GAVRAS hatte offenbar einst eine Vielzahl von organischen Wesen transportiert.

Bis auf die niedrigen Lebensformen waren alle tot und verrottet. Zurück blieben zerbröckelnde

Hüllen, die einmal Raumanzüge, Schiffswesten und andere Kleidungsstücke gewesen sein müssen.
    Von den Körpern selbst sah Blitzer nicht viel mehr als bleiche Knochen und hie und da eine

mumifizierte ledrige Hand oder einen Fuß. Einige Leichen waren wie Martus in Kokons verpackt,

andere bildeten den Grundstock für ganze Heerstöcke von Kleinlebewesen.
    Eroin Blitzer hatte den endgültigen Beweis dafür gefunden, dass er ein Totenschiff

erkundete.
    *
    Alaska Saedelaere saß wie gebannt in seiner Logenkapsel. Vor ihm schwebte - majestätisch

erhaben - die riesige Plattform, in deren Mitte die Bühne mit der Halle der Harmonie stand.
    Gleichzeitig war er dort, mitten im mahnenden Schauspiel vom See der Tränen. Dieser Teil von

ihm schlüpfte in irrer Folge in die unterschiedlichen Gefühlslandschaften der Mimen.
    Gerade war er der Kanzler gewesen, voller Vorfreude auf die verheißene Botschaft der Hohen

Mächte, dann war der Wechsel erfolgt, und nun war er der König, der mit unsäglicher Wehmut über

die Zukunft des Reiches der Harmonie nachdachte.
    Jenem Teil des Maskenträgers, der in der Logenkapsel saß, machte diese Mehrfach-Spaltung

seiner Persönlichkeit schwer zu schaffen. Die unterschiedlichen Gefühlsstürme, die in den eckig

und scharf voneinander getrennten Individualitäten der Figuren aufbrandeten, entwickelten einen

Sog, dem er sich nicht entziehen konnte.
    Der hypnotische Zwang, der von dem Schauspiel ausging, rüttelte an den Grundfesten seiner

Persönlichkeit.
    Mehrere Male war ihm, als verlöre er die Besinnung. Er stellte aber immer wieder mit

erschreckender Fremderkenntnis fest, dass es sich lediglich um einen Sprung von einer zur anderen

Figur des mahnenden Schauspiels handelte.
    Den ersten Akt erlebte er wie in Trance. Der Bote wurde am Hof erwartet, was in den Figuren

gleichzeitig Ängste und Hoffnungen geweckt hatte. Der König und die Prinzessin wurden getragen

von der Sorge um die Zukunft des Reiches, während der Kanzler voller Ungeduld auf die Worte

harrte, die der Bote verkünden
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