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255 - Winterhexe

255 - Winterhexe

Titel: 255 - Winterhexe
Autoren: Manfred Weinland
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Gedanken zu beruhigen, dass es für einen solchen Test überhaupt keinen Grund gab. Als sie damals aufgetaucht war, hatte sie mit einer einzigen Machtdemonstration all ihre Forderungen durchgesetzt und jeden Widerstand im Keim erstickt. Nein, hinter dem Verschwinden des Wirbels musste etwas anderes stecken. Aber welche Logik garantierte, dass die unbekannte Ursache auch gleichzeitig die Hexe selbst hinweggefegt hatte?
    Keine , befand Coogan. Sie kann immer noch hier irgendwo sein, und wenn dem so ist, gnade uns Wudan!
    Einer der gewaltigen schlanken Pfeiler, von denen schon Coogans Vater und Großvater gewusst hatten, war nur noch eine Steinwurfweite entfernt. Die dreißig Meter hohen, im Abstand von dreihundert Schritten kreisförmig angeordneten Masten schienen aus Stein zu bestehen, aber wenn man darauf klopfte, merkte man, dass es kein echter Stein war.
    Seit seiner Jugend war Coogan zwei-, dreimal hier gewesen, um sich die Hinterlassenschaften einer glorreichen Vergangenheit - oder was man heutzutage für glorreich halten mochte - anzusehen. Jeder aus der Gegend hatte das früher irgendwann mal getan.
    Und jetzt?
    Fasziniert blickte Coogan auf die nadelartig aufragende, sich nach oben hin verjüngende Konstruktion, die wie ein Monolith aus grauer Vorzeit wirkte.
    Coogan hatte Durbayn und dessen nähere Umgebung nie verlassen. Hier in dieser rauen, aber auch fruchtbaren Landschaft mit ihrem ganz eigenen Menschenschlag war er immer glücklich gewesen, so lange jedenfalls, bis sich das Joch der Hexe wie ein finsterer, erstickender Schatten über den Landstrich gelegt hatte. Seither hatten sie Abgaben zu leisten - Getreide, Stoffe, Fleisch, Käse, selbst dunkles, selbstgebrautes Bier… Es hörte sich fast harmlos an, was die Winterhexe an Tribut dafür forderte, dass sie die Leute unbehelligt ließ, ihnen die Ernte nicht verhagelte, keine Dürren, sintflutartigen Regen oder Schneegestöber im Hochsommer schickte.
    Viel schwerer wog, dass sie Gefangene in ihrem eigenen Dorf waren! Denn die Hexe hatte gedroht, es zu vernichten, wenn auch nur einer der Einwohner zu fliehen versuchte. Weiter als eine Tagesreise durfte sich kein Jagdzug entfernen. Einmal hatten sie es riskiert - und prompt war das Dorf von einem Platzregen heimgesucht worden, der erst endete, als sich auch der letzte Mann wieder innerhalb der Dorfgrenzen befand.
    Coogan trat an den Turm heran, der wie aus Stein gehauen dastand, dunkler schroffer Stein, von dem eine unausgesprochene Bedrohung ausging.
    Unheimlich.
    Ja, das war das passende Wort: Der Turm wirkte, wie er sich da scheinbar in den wolkenreichen Himmel bohrte, unheimlich. Gespenstisch. Erdrückend in seiner Schwere und Rätselhaftigkeit.
    Coogan hob die Hand und berührte die raue Oberfläche des Riesendorns. Für einen Moment glaubte er ein Pulsieren zu spüren. Dann merkte er, dass es sein eigener Herzschlag war, den er durch Fingerkuppen und Handballen spürte.
    Er wandte sich zu seinen Begleitern um, die in respektvollem Abstand stehen geblieben waren. »Momentan wäre alles Spekulation. Lasst uns weitergehen. Bis zur Mitte des Kreises sind es etwa zehn bis zwölf Speerwürfe. (ca. 1 bis 1,2 km) Wenn überhaupt, finden wir dort Antworten. Entweder wurde das Haus der Hexe, das der Wirbel verhüllt hat, zerstört, oder…«
    »Oder?«, fragte Alma.
    »Oder es gab nie ein Haus.«
    Sie folgten Coogan tiefer ins einstige Machtzentrum der Hexe hinein, die über Wind und Wetter geboten hatte. Doch sie kamen nur wenige hundert Schritte weit.
    Die Sonne stach von einem wolkenlosen Himmel, und trotzdem wallte plötzlich Nebel auf!
    Die Gruppe geriet ins Stocken und blieb stehen. Grauweiße Wolken krochen auf einmal über den Boden, wurden von einem leichten Wind getrieben, erreichten die ersten Ausläufer ihre Gruppe…
    Coogan hatte instinktiv geahnt, dass die Erscheinung nichts Gutes zu bedeuten hatte. Jetzt wurde es zur Gewissheit - als er ein Prickeln in Mund und Nase verspürte. »Vorsicht!«, bellte er heiser. »Das… ist ein Angriff!«
    Eine Welle von Übelkeit raste vom Bauch her durch seinen Körper. Innerhalb von Sekunden konnte Coogan dem Brechreiz, der ihm die Kehle zu zerreißen drohte, nicht mehr Herr werden. Was sich in seinem Magen befand, wurde explosionsartig durch die Speiseröhre nach oben getrieben.
    Wie Coogan erging es auch jedem seiner Begleiter. Sie wälzten sich am Boden, gemartert von Krämpfen. Das Erbrechen brachte Linderung - aber nur so lange, bis etwas erbrochen
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