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2369 - Quartier Lemurica

Titel: 2369 - Quartier Lemurica
Autoren: Unbekannt
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wenn die Trivid-Götter für Kinder, Kinder und nochmals Kinder warben, auch wenn nächtens während der Dauerberieselungsphase auf allen Kanälen Softpornos gesendet wurden - Elfia hatte einfach keine Lust. „Was ist los mit dir?", fragte Windor. „Gar nichts", wich sie aus und schob seine Hand aus ihrer Bluse. „Das Kind ..."
    „Das Kind, das Kind!" Wütend stieß er sie von sich. „Hast du denn nichts anderes mehr im Kopf?"
    Elfia schwieg, wandte sich ab, ignorierte das Gebrüll und Geschnaufe ihres Mannes.
    Irgendwann fiel die Tür ins Magnet schloss, irgendwann war sie allein mit ihren vier Kindern.
    Ein seltsames Geräusch ertönte vor dem Fenster, gefolgt von Sirenengeheul, das von oben herabdrang. Die beiden ältesten Kinder Elfias, Varo und Janicim, huschten aufgeregt herbei. „Ein Selbstmörder!", sagte der eine begeistert. „Der is' direkt vom Himmelreich herabgestürzt, stell da vor."
    „Schwachkopf!" ,entgegnete Janicim. „Der kann nich' so weit geflogen sein, da sin' zu viele Straßenstege dazwischen. Der hat nich' mehr als zwanzig Etagen hinta sich."
    „Aba vielleicht hat er da obn schon'n Himmel gesehn."
    „Warum soll er dann sprungen sein, Blödkopf?"
    Elfia zog trotz der Proteste der beiden Jungs die Vorhänge zu und schob sie vom Fenster weg, hinein in ihr kleines Zimmer.
    Natürlich hatte ihr Geschrei den Jüngsten, der eben erst eingeschlafen war, aufgeweckt. Schon begann er wieder zu krakeelen und nach der Mutterbrust zu schreien. Die drei kleinen Punkte auf seiner Oberlippe, winzige Muttermale, im Dreieck angeordnet, bewegten sich dabei seltsam, wie hypnotisierend.
    Elfia packte das Baby, zog sich mit ihm ins Schlafzimmer zurück und legte sich aufs Bett. Nein, beschloss sie. Sie würde dem Kind keinen Namen geben. Es würde bei der Verlosung gewinnen. Sollten sich die Priester darum kümmern.
    Sie zog am Scharfen, während sie das Balg stillte.
     
    *
     
    „Wach auf, Elfia!", meldete sich das Trivid. „Lass mich gefälligst in Ruhe." Sie drehte sich unwillig beiseite und zog sich den Geräuschminderer über die Ohren. „Ich habe eine freudige Botschaft für dich."
    Harte, unrhythmische Musik erklang. Der Geräuschminderer schaltete sich ab, so, wie er es immer tat, wenn wichtige Nachrichten eintrudelten.
    Elfia schob das klobige Gerät zurück in den Nacken und setzte sich auf.
    Die Nachtabdunkelung War nach wie vor aktiv. Nur einige wenige Werbebotschaften wurden über die Innenwände des Schlafzimmers projiziert. Aus dem Trivid grinste ihr ein bekanntes Gesicht entgegen. „Der Alleshelfer!", hauchte Elfia. „So ist es, Glückliche!" Der Mann zeigte ein freundliches Lächeln. „Deine Bitten wurden erhört; das Kind 215.444.690 wurde bei der Verlosung gezogen. Du wirst ersucht, es innerhalb der nächsten drei Tage an der Pforte zum Quartier Lemurica abzugeben. Verabschiede dich geziemend von ihm, denn du wirst das Baby niemals wiedersehen - und freue dich, denn 215.444.690 ist vom Glück geküsst. Es wird in die Priesterschaft aufgenommen werden und dort die Privilegien der bestmöglichen Ausbildung genießen."
    Der Alleshelfer beugte sich vor, bis sein Antlitz den gesamten Bildschirm ausfüllte. „Mit der morgigen Warenlieferung erhältst du die Legitimierung, um den Weg zum Quartier Lemurica antreten zu können."
    Das Trivid erlosch.
    Ja, es erlosch.
    Das erste Mal seit Jahren schaltete es sich während der Nachtstunden aus.
     
    *
     
    „Ich hatte einen seltsamen Traum", sagte Elfia. „So?"
    Windor rührte lustlos in seinem morgendlichen Glückmich um. „Von Reichtum und Glück? So wie jede Nacht?"
    „Nein."
    Elfia zuckte kurz zusammen und zog das Baby von ihrer Brust. Es hatte schmerzhaft stark zugebissen. „Diesmal war es anders, ganz anders. Ich träumte vom Alleshelfer und ..."
    „Morgenlieferung", knarrte eine synthetische Stimme. Ein Paket fiel ins Verwaltungsdepot. Es hörte sich nicht sonderlich schwer an. „Der Betrag wird dem Haushalt Elfia Jin in Rechnung gestellt und muss in .den nächsten sieben Tagen beglichen werden. Bitte beachtet den beiliegenden Reklamationsschein und die Rechnung ..." Die Stimme stotterte und stockte schließlich vollends. „Was hast du bestellt?", fragte Windor. „Schon wieder Kleidung für die Bälger oder etwa gar für dich? Kannst du nicht einen einzigen Tag lang ruhig halten?" Er klopfte zornig mit der Faust auf den Tisch, der Glückmich-Becher hüpfte hoch. „Ich reiße mir den Arsch auf, und du gibst das Geld genau so
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