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2312

2312

Titel: 2312
Autoren: Kim Stanley Robinson
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auf die vorbeiziehende Aussicht. »Dort habe ich mal gewohnt.« Der Inspektor deutete auf einen schnell vorbeiziehenden Marktplatz in der Mitte einer Stadt. »Ich glaube, in genau dem Gebäude dort.«
    Ihre Tram hielt an einem Bahnhof in Hougeria, wo sie in eine Magnetschwebebahn umstiegen, die sie zur nordöstlichen Seite des Olympus Mons bringen würde. Da sie noch auf ihren Zug warten mussten, machten sie einen Spaziergang in den Ort. Hier waren alle Kanäle zugefroren, und die Leute liefen mit den Händen hinterm Rücken auf ihnen Schlittschuh. Es war sonnig, aber kühl.
    Swan beschwerte sich über den Ausflug zu dem großen Vulkan. »Warum fliegen wir überhaupt zum Mars, wenn wir so weit nach oben gehen, dass es keine Atmosphäre mehr gibt und wir uns doch wieder in einem Zelt aufhalten müssen? Dort oben ist es ganz egal, wo wir sind.«
    Ihre Begleiter schienen das als rhetorische Frage aufzufassen: Swan würde wohl kaum vergessen haben, dass sie zum Epithalamium unterwegs waren. Wahram beschirmte sich die Augen mit der Hand und blickte nach Süden, an der Flanke des großen Vulkans empor. Sie befanden sich an der einzigen Stelle, an der der Olympus Mons nicht von einem riesigen Wall eingefasst wurde, einem ringförmigen Steilhang mit einer Höhe von zehn Kilometern, der bemerkenswert gleichförmig rund um den Berg verlief; doch hier hatte sich in den letzten Jahren vulkanischer Aktivität eine Lavaflut gegen und über den Wall ergossen – und war auf der anderen Seite als Feuerfall zehn Kilometer in die Tiefe gedonnert, ein Schauspiel, das Wahram sich in diesem Moment auszumalen versuchte: zehntausend Meter freier Fall, währenddessen die rote Lava zweifellos abgekühlt und erst orange und dann schwarz geworden war, sich am Boden immer weiter aufgetürmt hatte, bis der Hang völlig unter der Lava begraben gewesen war, woraufhin das geschmolzene Gestein dann weiter Richtung Nordosten geflossen war und am Ende eine breite, sanft ansteigende Rampe hinterlassen hatte, die sich von den oberen Hängen des Vulkans bis hinab in die Ebene erstreckte. Das war die feurige Vergangenheit des Bodens unter ihren Füßen.
    »Anschließend können wir im Tiefland umherreisen«, erwiderte Wahram. »Flitterwochen am Strand, sozusagen.«
    »Gut. Ich möchte in der Hellas-See schwimmen.«
    »Ich auch.«
    Als es so weit war, betraten sie eines der unter Druck stehenden Abteile der Magnetschwebebahn, gemeinsam mit vielen anderen Hochzeitsgesellschaften, und der Zug trat seinen Weg die Rampe zum Gipfel empor an. Es war ein langer Anstieg, der sie durch einen marsianischen Sonnenuntergang und anschließend in eine Nacht des Feierns und des unruhigen Schlafes trug. Als sie im Morgengrauen erwachten, fuhr der Zug gerade in den Bahnhof am Südosthang der weiten Gipfelebene ein. Hier, auf dem Vorfeld des kleinen Kraters Zp, bedeckte ein großes, durchsichtiges Zelt den traditionellen Festplatz des Planeten. Sie waren am ersten Morgen des Epithalamiums eingetroffen.
    Von innen war das Zelt kaum zu sehen; es war sehr viel durchsichtiger als die Kuppel von Terminator, und man hatte den Eindruck, im Freien zu stehen. Die Luft war warm und roch angenehm. Über ihren Köpfen hing das schwarze Dach des sternenübersäten Weltraums, das nur am Horizont leicht blau war; der bei Weitem größere Teil der Atmosphäre befand sich unterhalb von ihnen. Sie mussten sich in einem Zelt aufhalten, und wenn man das wusste, konnte man hier und da kleine Verzerrungen am Grenzverlauf zwischen blauem und schwarzem Himmel erkennen. Der Olympus Mons war so groß, dass der entfernte Horizont im Osten und im Süden noch immer Teil des Bergs war; sie konnten die Tharsis-Vulkane jenseits des östlichen Horizonts nicht sehen, und auch keinen Bereich des Planeten, der tiefer als der ringförmige Wall lag. Alles Land in Sichtweite war so kahl und rot wie seit jeher. Nur die dünne blaue Luftschale am Horizont verriet, was sie mit dieser Welt gemacht hatten.
    Die zeltüberdachten Bereiche des Festplatzes waren leicht geneigt, weshalb man Terrassen angelegt hatte, um ebenen Boden zu gewinnen. Das Ergebnis erinnerte an gewisse Terrassenlandschaften in Asien: Ein paar Hundert Stufen ebener Erde erstreckten sich hangabwärts, und dazwischen wanden sich die Einfassungsmauern wie Höhenlinien auf einer Landkarte. Drei breite, flache Treppen verliefen durch die Terrassen, und einige aus ihrer Hochzeitsgesellschaft bemerkten, wie sehr der Anblick sie an die große Treppe in
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