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2307 - Der Psi-Korresponder

Titel: 2307 - Der Psi-Korresponder
Autoren: Unbekannt
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Achthundert Zuhörer hatten auf den steilen Rängen Platz genommen. Wie immer war die Vorlesung für Hörer aller Semester restlos ausgebucht.
    Einmal hielt Bré ganz kurz inne, sie hatte ein Gesicht mit buschigen Augenbrauen und einer sehr schmalen Nase entdeckt – ein Gesicht, das sie inzwischen sehr gut kannte.
    Sieh an, dachte sie. Marc London ist von seinem Ausflug nach Luna zurück.
    Dann ist alles in Ordnung. Bestimmt trifft bald Guckys Bericht ein.
    „Was liegt näher, als mit der eigenen Sprache zu beginnen", fuhr sie fort.
    „Keine Sorge, ihr müsst bei mir weder Altenglisch noch Chinesisch lernen. Es geht mir vor allem darum, euer Verständnis für die Funktion von Sprache im Zusammenwirken zwischen dem Mund und dem Gehirn zu wecken. Ich projiziere jetzt einen Text hinter mir an die Wand und bitte euch, ihn zwei-, dreimal möglichst schnell zu lesen, ohne innezuhalten."
    Sie aktivierte den Projektor. Auf der gekrümmten Fläche erschienen zwei Absätze in Terranisch.
    „Luat eneir Sduite des Sarpchnitstitus von Lnua Ctiy ist es eagl, in wlehcer Rienehlfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen. Das enizg Wcihitge dbaei ist, dsas der estre und lzete Bcuhtsbae am rcihgiten Paltz snid. Der Rset knan ttolaer Bölsdinn sien, du knasnt es torztedm onhe Porbelme lseen."
    Gespannt hielt sie den Atem an, genoss die Augenblicke der absoluten Stille in dem großen Saal. Die Studenten und Studentinnen starrten, blinzelten, starrten wieder, es war jedes Jahr dasselbe.
    Erste Rufe des Erstaunens wurden laut.
    „Nicht wahr?", sagte sie. „Der Text ist gut lesbar und verständlich. Das liegt daran, dass das Gehirn von Lemurern und ihren Abkömmlingen einen Text nicht Buchstabe für Buchstabe verarbeitet, sondern Wörter als Ganzes erkennt."
    Das Raunen setzte sich in den Rängen fort.
    Bré zuckte leicht zusammen. Dicht neben Marc London war aus dem Nichts plötzlich eine Gestalt aufgetaucht, von keinem bemerkt außer London selbst.
    Gucky, der Mausbiber. Zum Erstaunen der Kosmopsychologin trug er einen Smoking mit einer roten Rose im Knopfloch.
    Bré schüttelte den Kopf. Das konnte nur eine Halluzination sein. Aber das Bild blieb. Gucky starrte zu ihr herüber und ließ seinen Nagezahn sehen.
    Bré schluckte hastig. „Diese Fähigkeit trifft, wie gesagt, auf die Lemurerabkömmlinge zu. Blues etwa kommunizieren hauptsächlich im Ultraschallbereich und verarbeiten Schriftbilder ganz anders. Entsprechend besitzen sie auch eine völlig andere Mentalität. Merksatz eins: Die Mentalität eines Wesens ist zu einem guten Teil von der eigenen Wahrnehmung bestimmt. Die genetische Grundlage bildet lediglich das Fundament. Notiert euch das in eure Positronik. Oder noch besser, prägt es euch in eurem Kopf ein. Was ihr da drin habt, geht nicht so schnell verloren."
    Zustimmendes Schmunzeln in achthundert Gesichtern bildete die Antwort.
    „In den ersten sechs Wochen werden wir uns folglich mit der Wahrnehmung von Menschen, Arkoniden, Tefrodern und anderen Verwandten beschäftigen."
    Bré Tsinga schaltete die Projektion wieder ab, um Energie zu sparen. „Danach widmen wir uns fremden Spezies. In diesem Zusammenhang interessiert es euch sicher, dass unsere Spezialisten sich seit Wochen intensiv mit dem TraiCom auseinander setzen, also der Sprache, die in der Terminalen Kolonne TRAITOR gesprochen wird. Alles, was wir bisher an Funksprüchen dokumentieren konnten, wird ausgewertet. Wir erhoffen uns davon Erkenntnisse über die Mentalität der Wesen, die unsere Milchstraße besetzen und die Völker unterdrücken wollen.
    Diese Erkenntnisse setzen unsere Strategen von Militär und Geheimdienst dann in psychologische Kriegführung bei der Abwehr der Chaosmächte um."
    Bré schaute wieder zu Marc London hinüber. Der junge Student saß reglos da, ein wenig bleich und dennoch ganz Ohr.
    NATHAN hatte einen Zusammenhang zwischen ihm und der Terminalen Kolonne hergestellt, basierend auf dem Verhalten des Dualen Kapitäns. Der hatte Marc in Terrania aufgespürt und entführt.
    Wusste Gucky inzwischen mehr? Hatte er das Geheimnis enträtselt, das den jungen Mann aus Atlan Village umgab?
    Würde Marc London eine Rolle im Zusammenhang mit der Terminalen Kolonne spielen? Oder war das zu hoch gegriffen?
    Bré Tsinga konnte es kaum erwarten, dass ihre Doppelstunde endlich vorüber war. Sie musste dringend mit Gucky darüber sprechen.
     
    ENDE
     
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