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230 - Gilam'esh'gad

230 - Gilam'esh'gad

Titel: 230 - Gilam'esh'gad
Autoren: Stephanie Seidel
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Verehrer. Der Wasserwiderstand milderte den Schlag zum harmlosen Schubser ab, dennoch wurde der Fisch ein ganzes Stück zur Seite gestoßen. Einen Moment lang verdeckte ihn die trübe Dämmerung. Dann flammten biolumineszente Hautschuppen auf, rot und pulsierend. Sie machten den Barsch nicht nur sichtbar – sie zeigten auch, dass er zurückkam. Ziemlich schnell, die wulstige Stirnpartie angriffslustig gesenkt.
    »Äh – hatte ich gesagt, dass Molukkenbarsche zu den Kampffischen gehören?«, fragte Quart’ol, während er hastig heran glitt und seine Hand ausstreckte.
    Wumm.
    Wuchtig knallte der Fisch an Aruulas Taucherhelm. Die Barbarin wurde nach hinten gestoßen. Der Handscheinwerfer entglitt ihr, segelte in leuchtenden Bögen durchs dunkle Wasser und sank auf die Straße. Dort fühlten sich Langusten von der plötzlichen Helligkeit gestört, tickelten eilig davon.
    Wumm.
    Erneut stieß der gereizte Molukkenbarsch zu. Er war gut einen Meter lang und kräftig gebaut, das machte die fehlenden Zähne durchaus wett. Aruula schrie auf, als er wie eine Männerfaust an ihren Rippen landete.
    Die Barbarin fühlte sich am Handgelenk gepackt und fortgezogen. Der Barsch kam hinterher, griff immer wieder an. Sie wehrte sich verzweifelt, trat und schlug nach ihm.
    »Hör auf!«, brüllte der Hydrit. »Stell dich tot! Das ist die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden!«
    Aruula gehorchte, auch wenn es ihr schwer fiel. Reglos sank sie herunter, ließ sich von der Straße ziehen.
    Der Kampffisch attackierte sie weiter; mit unveränderter, animalischer Gewalt. Erst als Aruula durch eine zerklüftete Maueröffnung glitt, drehte er ab und verschwand. Aufatmend wandte sich die Barbarin ihrem Begleiter zu.
    »Willkommen im Stadtarchiv«, sagte Quart’ol.
    ***
    Bei dem Wort Stadtarchiv hat man sofort ein Bild vor Augen: Regale und Schubladen voller Dokumente; altersvergilbt, fleckig. Lesetische. Kleine Lampen mit grünem Schirm. Ein älteres Fräulein. Schweigend, wachsam und kühl wie der Tod schwebt sie durch ihr Reich, und wehe, jemand redet zu laut! Drei Mal wehe dem, der anders als sacht und respektvoll mit den Zeugnissen früherer Zeiten umgeht!
    Letzteres galt auch für das Stadtarchiv von Gilam’esh’gad, zumindest früher, als noch Besucher kamen. Ansonsten beschränkte sich die Ähnlichkeit mit Archiven der Menschheit auf die Existenz von Wänden.
    Aruula staunte, wie hoch sie waren. Leitern gab es nicht. Die brauchte auch keiner in einem gefluteten Gebäude. Allerdings wäre das ältere Fräulein hilfreich gewesen, besser gesagt sein hydritisches Pendant. Oder wenigstens ein paar Beschriftungen an den dicht an dicht wachsenden, waagerecht vorstehenden Muscheln.
    Da sie nur eine Schalenhälfte besaßen, konnte man annehmen, dass sie künstlich gezüchtet wurden. Sie waren mit einer weichen, bionetischen Masse gefüllt. Darin lagerte, gut geschützt, je ein Datenkristall.
    »Das müssen Millionen sein!«, flüsterte Aruula, während ihr Blick in dunkle Höhen wanderte. Auf halber Höhe war eine riesige Pozai’don-Statue angebracht.
    »Das sind Millionen«, sagte Quart’ol. »Jetzt weißt du, warum ich nichts über den Wächter herausfinden konnte!«
    Die Stimme des Hydriten klang wehmütig, als er nach kurzem Zögern fortfuhr: »Was gäbe ich für eine Reise in die Vergangenheit! Nur für einen einzigen Tag, um das Stadtarchiv zu sehen, wie es einmal war, und um all dieses Wissen hier zu erforschen!«
    Quart’ol konnte sich vorstellen, wie prachtvoll das Gebäude ausgesehen hatte, als es noch mit Leben erfüllt war. Weiße Wände mit schwarzen Muschelreihen, schnurgerade und vollkommen. Sanftes Licht, das aus den Seepocken drang, die wie ein Stern über jedem Behälter klebten und die Datenkristalle zum Funkeln brachten, wenn man sie herausnahm. Alle paar Schwimmzüge ein Lesegerät. Ordnung, Sauberkeit. Angenehme Atmosphäre. »Wo fangen wir an?« Aruulas plötzliche Frage riss den Hydriten aus seinem Tagtraum. Quart’ol blinzelte unglücklich bei seiner Rückkehr ins Jetzt. All die schönen weißen Wände ringsum zerfielen im Zeitraffer, wurden dunkel, setzten Algenwuchs an. Das Sternenlicht der Seepocken erlosch. Vom Alter gezeichnete Muscheln sanken herunter, Datenkristalle verschwanden in Sediment und Dreck. Es war so traurig. Machte das Herz so schwer.
    »He, was ist mit dir?« Aruula legte besorgt eine Hand auf seine Schulter. Die Berührung ließ den Hydriten aufsehen.
    »Hmm-m? Ach, nichts.« Hastig stieß
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