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230 - Gilam'esh'gad

230 - Gilam'esh'gad

Titel: 230 - Gilam'esh'gad
Autoren: Stephanie Seidel
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aufhielten.
    Außer Vogler.
    Der sanfte Waldmann war noch immer geschockt von den Ereignissen im Tempel. Hätte Pozai’don nicht im entscheidenden Moment sein Gewissen wieder entdeckt, und hätte der Blitzstab nicht dort gelegen, wo er letztendlich lag… Das Leben der Freunde hatte in jener Nacht an so vielen seidenen Fäden gehangen, das ließ man nicht einfach mit einem Seufzer der Erleichterung hinter sich.
    Aber wenigstens hatte Vogler eine Aufgabe, die ihn von morgens bis abends in Anspruch nahm. Quart’ol hatte ihn gebeten, sich um die Kinder zu kümmern, die Matt mit ihren Familien aus der Dunkelheit der Nebenhöhle geholt hatte.
    Ich glaube, das war eine gute Idee, dachte der Hydrit, während er ohne Eile die Straße hinunter Richtung Stadt glitt. Vogler liebt seinen Park über alles, und jetzt kann er endlich mal über das ganze Gemüse palavern, ohne hinter seinen flüchtenden Zuhörern her schwimmen zu müssen! Im Gegenteil; den Kindern macht es Spaß, die Pflanzenwelt zu erforschen.
    Es waren gute Bilder, die Quart’ol aus dem Park mitnahm, auch wenn ihn der Schmerz über das Leid der kleinen Hydriten dabei nicht verließ. Ja, sie hatten Mühe mit ihren verkrüppelten Körpern, und es tat ihnen weh, wenn sie durch verschlungene Pfade tauchen mussten. Aber wie viel Freude hatten diese Kinder andererseits! Wie tauten sie auf beim Anblick tanzender Seepferdchen, wurden zutraulich und begannen Vogler mit Fragen zu löchern über die bunte Vielfalt ringsum! Wie staunten sie, als er ihnen das neueste Denkmal zeigte: die Fleisch fressende Pflanze, versteinert in dem Moment, als sie nach einem Rochen schnappte.
    Doch das Beste von allem hatte Quart’ol erlebt, als Vogler die Kinder zu den Thermalquellen führte, die versteckt hinter bizarr geformten Lavafelsen lagen. Zuerst hatte der Marsianer erklärt, was es mit dem ganzen Gesprudel auf sich hatte. Dann nahm er einen kleinen Hydrit in die Arme, ganz sanft. Und tauchte mit ihm in die blubbernde Wärme.
    Was war das für ein wundervolles Lachen und Jauchzen gewesen! Bei Ei’don! Es hat sich angefühlt, als würden zehntausend Jahre Finsternis einfach weggelacht von einer neuen Hydritengeneration!
    Übermütig tauchte er zum Straßenbelag hinunter und klopfte dort einem vermeintlich getarnten Fleckenkrebs auf den Rücken. Quart’ol lachte, als das Schalentier in einer Sedimentwolke hochschoss und eilig davon tickelte.
    Es war so angenehm, durch Gilam’esh’gad zu schwimmen! Nach Quart’ols Hungergefühl musste es ungefähr Mittag sein… und zum ersten Mal sah es hier unten auch wie Mittag aus! Kein Gebäude, das nicht hell erstrahlte, keine Allee, die sich noch in trübem Halbdunkel verlor! Jetzt zeigte sich auch die ursprüngliche Bedeutung der Leuchtmikroben am Felsendach: Sie dienten dazu, die meist sehr schlanken und daher lichtarmen Gebäudespitzen zu erhellen. Damit der Weg zu den Rettungsbooten unter der Kuppel problemlos war.
    Quart’ol bedauerte es fast, als das Wissenschaftszentrum in Sicht kam. Er hätte noch stundenlang schwimmen können, um sich alles anzusehen. Da waren plötzlich Farben überall, und so unendlich viele prachtvolle Details, die bisher im gelbgrünen Dämmerlicht der Mikroben untergingen. Doch er hatte ja Zeit genug, die alte Stadt ein zweites Mal zu entdecken.
    Die nehme ich mir auch, diese Zeit, dachte er. Dann schwenkte Quart’ol von der Allee auf den Vorplatz des Wissenschaftszentrums ab.
    »He – da bist du ja!« Clarice Braxton lächelte, als sich ihr wissenschaftlicher Kollege durch die Schleuse zur Medizinischen Abteilung zwängte. Quart’ol hinterließ eine Pfützenspur beim Näherkommen, was die Marsianerin noch vor drei Tagen mit unverhohlenen Missfallen quittiert hätte.
    Aber heute war das egal. Solange Quart’ol nicht ihr Labor betrat und dessen kostbaren Inhalt gefährdete, konnte Clarice mit dem Dreck leben. Eilig kam sie durch ihr blank geputztes Reich heran, um den Freund in die Arme zu schließen.
    »Geht’s dir gut?«, fragte sie.
    Quart’ol nickte. »Könnte kaum besser sein!«
    »Und Vogler?«
    »Auch«, sagte der Hydrit. »Er ist immer noch ein bisschen blass um die Nase, wie Matt es formulieren würde, aber er hält sich wacker! Scheint ihm Spaß zu machen, die Kinder zu betreuen. Er plant schon ein Projekt mit ihnen: Nutzpflanzen anzubauen, deren Verzehr das Immunsystem stärkt.« Er lachte. »Du glaubst nicht, wie eifrig die Kinder bei der Sache sind! Der Streifen, den sie bisher frei
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