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2289 - Der eiserne Finger Gottes

Titel: 2289 - Der eiserne Finger Gottes
Autoren: Unbekannt
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über dem Innenhof. Unten standen die Knechte und Sklaven des Hauses, dazu etliche Fronbauern. Sie waren in Kreisen angetreten, den alten herkömmlichen Rudelringen, um der Auspeitschung eines Mannes beizuwohnen, der behauptet hatte, die üblichen Abgaben an Ackerfrüchten nicht leisten zu können. Schlechte Ernte, hungrige Kinder, die üblichen Vorwände. Geon-Yurun von Taraon, der ältere Bruder, überwachte die Bestrafung. Er hatte die Hände auf dem Rücken gefaltet und wirkte gelangweilt. Wenn die Auspeitschung erledigt war, würde er den Pächter mit den Krallen zeichnen.
    Als die Schreie des Gepeitschten lauter wurden, schloss Geon-Durn das Fenster. Das Zeichnen mit den Krallen und den Verzehr eines ausgerissenen Stücks vom Fleisch des Bauern wollte er nicht sehen. Er wandte sich wieder dem Vater zu.
    „Aber du", sagte er, „Edler von Taraon - wenn du Taraon nicht deshalb besitzt, weil du edel bist, sondern ..."
    „Unsere Vorfahren haben die Mark, die Berge, Wiesen und Seen, mit den Zähnen, den Krallen und dem Schwert erobert. Die Schärfe der Klinge und die Kraft des Arms sind das Maß deines Adels."
    „Das hieße, dass dich mit der Krankheit und dem Alter, da die Kraft flieht, auch der Adel verlässt, Vater."
    Der alte Mann hob den rechten Arm, betrachtete ihn - angewidert, wie es schien - und ließ ihn sinken. „Ich will über etwas anderes mit dir sprechen", sagte er, „ehe es zu spät ist."
    Der Vater hatte ihn aus Grachtovan holen lassen. Aus der Hauptstadt, wo Geon-Durn lernte, forschte und Taraon im Rat vertrat. Er war ungern gekommen. Es war eine lange, unbequeme Reise: zehn Tage auf stinkenden Reittieren oder holprigen Karren. Geon-Durn hasste die zottigen, ausdauernden Parans ebenso wie harte Karrenbänke, Nächte im Freien, notdürftige Verpflegung und alles, was mit dem Reisen gemeinhin verbunden war.
    Zweimal zehn Tage, hin und zurück, dazu die Tage des Aufenthalts daheim. Eine lange Unterbrechung der Arbeiten, des Forschens. Und vor allem eine gerade jetzt unwillkommene Unterbrechung einer besonderen, geheimen Arbeit ...
    Aber er hatte nicht gewusst - der Bote hatte nichts davon gesagt - ,dass der Vater erkrankt war und sterben würde. Er betrachtete den herben alten Mann. So alt war er gar nicht, kaum hundertvierzig. Aber die Haut hatte ihr gesundes Weiß verloren und sich mit braunen Flecken überzogen. Der bläuliche Pelz wies zahllose Verfärbungen auf, ein wirres Muster graubrauner Besudelungen.
    Der Verlauf der Krankheit war bekannt, vorhersehbar. Bald würde der verfärbte Pelz in Büscheln ausfallen, und an diesen Stellen würde das Leben in Eiter und Qualen aus dem Leib sickern. Vierzig Tage, vielleicht ein paar mehr. Geon-Durn war jedoch sicher, dass der Vater die Zeit abkürzen würde.
    „Es tut mir sehr weh, dich so zu sehen", sagte er plötzlich. „Und für schlechte Gedanken, die ich dir auf der Reise widmete, habe ich um Vergebung zu bitten. Ich bin widerwillig aus Grachtovan aufgebrochen, nicht ahnend, dass ..."
    Der Vater unterbrach ihn mit einem scharfen Fauchen. „Genau dies ist meine größte Sorge, Sohn. Dein Bekennen. Dieser Drang, etwas zu äußern. Es tut dir weh, du bittest um Vergebung, du bedauerst."
    „Aber es ist die Wahrheit!"
    „Eben." Der alte Mann nickte knapp. „Behalte sie für dich. Niemand will diese Münze haben. Dass du dich ihrer entäußern, dass du bekennen willst, ist das Ärgste. Lerne, dich zu beherrschen, sonst kannst du nichts und niemanden beherrschen. Wenn du eine Frau begehrst, nimm sie, aber sag es nicht. Wenn du Dyon für eine morsche Frucht und unsere Erde für einen Dreckklumpen hältst, sag es keinem. Schärfe deine Krallen und Zähne. Halt die Zunge und das Schwert im Griff. Sonst nehmen andere dir das Schwert und benutzen es, um dir die Zähne auszubrechen, die Krallen zu stutzen und die Zunge herauszuschneiden."
    Geon-Durn fühlte sich seltsam überlegen. „Einem Edlen des Reichs schneidet keiner die Zunge heraus", sagte er. „Nicht einmal die Mond-Deuter und die Erhabenen. Ich habe gute Freunde in Grachtovan und auch im Rat; sie würden es nicht zulassen."
    Der Vater hob die Schultern. Es war eine kraftlose Bewegung, die den Zorn nicht einmal mehr ahnen ließ. „Dies hier wird dein Bruder schützen." Seine Stimme klang matt. „Dies und deine Schwestern, bis sie sich vermählen. Hüte du dich vor den Gefahren."
    „Welche Gefahren, Vater?"
    „Die Priester. Und jene, die du für Freunde hältst. Vor allem hüte dich vor
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