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2280 - Exil der Orakel

Titel: 2280 - Exil der Orakel
Autoren: Unbekannt
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schwächsten Strömungen vorwärts und abwärts führte. Er spürte, wie sein Herzschlag beschleunigte und gleichzeitig regelmäßiger wurde. Eine Flottille dahintreibender, hell glühender Noosenkakerlaken kreuzte seinen Weg und schenkte ihm zum letzten Mal weißgelbes Licht, bevor alles um den Patriarchen zu wunderbarem Grüngrau wurde.
    Er seufzte grummelnd.
    Viel zu selten fand er Zeit und Muße, hier herabzukommen, in den Facettierungen der Eintönigkeit Kraft zu sammeln - und den Jähzorn, der seiner Familie gegeben war, zu bekämpfen.
    Der prall gefüllte Tentakelarm einer Zucklilie griff nach ihm, zog sich aber sofort wieder zurück. Die Hybridwesen wussten sehr wohl, an wen sie sich herantrauen konnten und wen sie zu achten hatten.
    Einhundert Körperlängen tief war er nun gelangt. Der Meeresboden, meist sandig und nur von einzelnen Süßalgsträuchern bewachsen, befand sich nicht mehr weit unter ihm.
    Bort begann zu singen. Leise, fast andächtig, stimmte er den Beschwingten Feuchtwälzer aus Tan-Orakelstadt an; eine uralte, mythisch verbrämte Melodie, die normalerweise zum Familientanz geblubbert wurde. Aber hier und heute war er sich selbst genug.
    Er musste die stets unvermutet auftretenden Zorneswallungen endlich unter Kontrolle bekommen! Niemand, nicht einmal die engsten Freunde würden ihm sonst vertrauen bei dem, was er morgen vor dem Rat vorzutragen gedachte.
    Denn genauso, wie sich seine Wiini mit störrischem Eigensinn weigerte, den Umwälzer zu lernen, genauso weigerte sich der Oberste des Rates, Goth Dungear, den politischen Umwälzer in Betracht zu ziehen.
    Und er, einer der jüngsten Patriarchen, hatte daher vor, den alten Schnorchkopf von seinem Thron zu stupsen.
    Große und auch beunruhigende Dinge passierten auf Baikhal Cain. Dinge, die Bort Leytmark einfach nicht mehr länger ignorieren wollte - und durfte. Die Motana flohen, der Heilige Berg ... Die Welt war im Wandel, doch sein Volk blieb unbeeinflusst.
    Die beiden Monde, Mallein und Narmil, beschienen fahl den Großen Grat der Cain-Orakelstadt. Dreihundert der bedeutendsten Patriarchen hatten sich am Rand der Klippe versammelt. Der Abgrund, sechs Körperlängen tief und nur von der abgewandten Seite des vorgelagerten Meeresriffs her zugänglich, erschien Bort an diesem Tag wie ein Symbol für die düsteren Zukunftsaussichten der Schota-Magathe. Silbrige Fäden salzigen Sprühwassers zogen sich die Steilwand hinab.
    Schroff, scharfkantig und durchaus gefährlich war sie, wenn man den Sprung zurück ins Wasser nicht genau mit den Wellenbewegungen weit unterhalb abstimmte.
    Schon mehrmals waren hier Patriarchen, die während einer Versammlung des Rats in den Tiefen Wassern zu sehr dem alkoholischen Kau-Algerling zugesprochen hatten, ums Leben gekommen. Vielerlei Märchen und Geschichten rankten sich um den schroffen Felsen, der wie ein stumpfer, fauliger Zahn nahe ihrer Heimatinsel aus dem Ozean emporragte.
    Hier waren Geschichten und Geschichte der Schota-Magathe geschrieben worden.
    Hier wurde Recht gesprochen, wurden Gehegebildungen erklärt, Übereinkünfte zwischen Sippen erzielt, Jugendliche über die Pflichten des Erwachsenseins aufgeklärt, die Legenden über ihre Herkunft weitergegeben und vieles mehr. „Zwei, eins ... ab!", knurrte Bort Leytmark und ließ sich über die scharfe Kante hinweg in das Nichts plumpsen.
    Es war ... erregend. Wenige Momente des freien Falls, befreit von aller Schwere seines Körpers, vom Wind umfächelt, an der Felswand vorbei...
    Das Wasser kam näher und damit die Angst vor dem Aufprall. Die Rüsselnase und die Augen schützte man mit den Händen. Der Körper selbst blieb maximal gestreckt, die Schwanzflosse angewinkelt.
    Und dann - der Schmerz des Kontakts mit dem so geliebten Element. Eigentlich war es mehr die Überraschung als ein körperliches Empfinden. Jedes Mal.
    Bort Leytmark durchbrach die Wasseroberfläche, wurde von der eigenen Masse weit hinabgedrückt, nahe dem steilen Abhang des wasserseitigen Großen Grats. .
    Wasserseitig?
    Kurz sinnierte der junge Patriarch über jene unglückseligen Geschöpfe, die sich selbst „Landbewohner" nannten. Sie kannten nicht jene Dimensionalität mehrerer Elemente, in denen man sein Dasein verbringen konnte. Irgendwann im Laufe ihrer Entwicklung hatten sie sich dafür entschieden, dem Wasser ade zu sagen und eine an Planetenschwerkraft gebundene Lebensweise einzuschlagen. So zum Beispiel die Vay Shessod: Diese Zweibeiner benötigten stets festen
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