228 - Crows Schatten
sprangen erschrocken auf, flüchteten sich zu ihrer Mutter und drückten sich an sie. Eines, ein Mädchen, fing an zu plärren, »Nicht doch, Kleines.« Sofort ging Yanna vor ihm in die Hocke und streichelte es. »Das sind doch nur die Rev’rends, die tun euch nichts. Im Gegenteil – sie werden euch helfen.«
Die Kinder waren noch sehr klein; drei, höchstens vier Jahre alt. Das Mädchen schien jünger zu sein als die beiden Knaben, die sich sehr ähnlich sahen, vermutlich also Zwillinge waren. Alle drei wirkten sie ausgezehrt und verwahrlost. Ihre Kleider waren schmutzig und zerrissen.
»Wie heißt du?«, wandte sich Rev’rend Rage an die Mutter. Auch deren schmutziges Kleid war zerrissen und ihr Busen entblößt. Der Erzbischof gab sich Mühe, ihr ins Gesicht und sonst nirgendwo hin zu schauen.
»Margot«, antwortete die junge Mutter mit brüchiger Stimme. Sie war schlank, Strähnen roten Haares lugten aus dem Tuch, das sie über dem Kopf trug.
»Wer hat dich so zugerichtet?«, wollte der Rev’rend wissen.
»Mein Mann…« Tränen erstickten die Stimme der Frau. Yanna ging zur ihr und legte tröstend den Arm um sie.
»Warum?« Die Stimme des Rev’rends klang jetzt weicher, er trat näher an die bedauernswerte Frau heran.
»Er… er tut mit uns, was ihm gerade in den Sinn kommt…« Sie schluchzte. »Drei hat er schon zu Tode gequält…« Die Kinder begannen nun auch wieder zu weinen. Alle drei klammerten sich an ihre Mutter.
»Mit ›uns‹?« Rev’rend Rage runzelte die Stirn. »Du sprichst von dir und deinen Kindern?«
»Nein – von mir und den anderen Frauen.« Die Fremde namens Margot vergrub ihr tränennasses Gesicht in Yannas Schulter und Haar.
»Wie viele Frauen hat er denn, dein Mann?«
»Ich bin seine zweiundzwanzigste Frau…«, ein Raunen ging durch die Menge, »… seine jüngste.« Die Gottesmänner machten empörte Gesichter. Rev’rend Rock murmelte ein Stoßgebet.
»Jetzt…« Ein Weinkrampf schüttelte die rothaarige Fremde. Yanna sprach beruhigend auf sie ein. »Jetzt… jetzt sind wir nur noch neunzehn… er hat die Kinder geschlagen… er wollte mich in einen Kessel mit kochendem Wasser werfen…« Ein Aufschrei ging durch die Menge.
»Armes Weib.« Das Erbarmen übermannte Rev’rend Rage. »Der HERR ist ein Tröster und Helfer aller Witwen und Waisen.« Linkisch berührte er die Fremde an der Schulter. »Dir und deinen armen Kindern sei Asyl gewährt.«
Zwei Halbwüchsige kamen die Straße herunter gerannt. »Ein Verrückter!«, riefen sie schon von weitem. »Vor dem Westtor tobt ein Verrückter herum!« Atemlos blieben sie unten an der Vortreppe stehen und berichteten von einem wilden Barbaren mit dem Schädel eines Bocks, der das Stadttor mit seiner Axt bearbeitete.
»Das ist er…«, schluchzte die Fremde. »Das ist mein Mann…«
Auf eine Geste des Erzbischofs hin sprangen Rev’rend Torture und Rev’rend Sweat die Treppe hinunter und liefen zum Westtor.
Rev’rend Rage aber wandte sich an den blonden Rev’rend Fire, der etwas verloren am Eingang der Tempelresidenz stand. »Führe Mutter und Kinder in die Baderäume, Bruder. Sorge dafür, dass sie sich waschen und frische Kleider anziehen können und zu essen bekommen.« Er wandte sich an Yanna. »Stehe der armen Frau ein wenig bei, Schwester.«
Yanna nickte, legte wieder den Arm um die Fremde namens Margot und führte sie und ihre Kinder die Treppe hinauf und an Rev’rend Fire vorbei in das Hauptquartier der Rev’rends hinein.
***
Ein Schuss explodierte auf der anderen Seite des Tores; schon der zweite, den sie von der Mauer aus abgaben. Doch das Westtor erzitterte weiter unter den Axthieben des bocksköpfigen Barbaren. Die Axtklinge drang schon an manchen Stellen durch das Holz. Der wilde Mann stöhnte und ächzte bei jedem Schlag und brüllte zwischen den Hieben unverständliches Zeug.
Fassungslos standen die Menschen auf der Innenseite unter dem Torbogen. Bei jedem Schlag wichen sie ein Stück weiter zurück. Hinter ihnen knallten alle vier oder fünf Sekunden Steine auf ein Dach oder in den Straßenstaub.
»Ich glaub’s nicht!«, krähte Dirty Buck. »Ich kann nicht glauben, dass eine einzelne Nase das Tor aufzubrechen versucht! Er muss doch wissen, dass hier zwanzig Leute darauf warten, ihm aufs Maul zu hauen!« Er stieß einen Fluch aus und verzerrte das Gesicht vor Schmerzen, weil ihn ein Holzsplitter getroffen hatte.
»Bedenke, dass seine Frau ihn verlassen hat«, sagte Hitking. Er wohnte seit
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