Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

2220 - Tote leben länger

Titel: 2220 - Tote leben länger
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
gleichwohl als angenehm akzeptierte.
    Vor ihm schimmerte der Himmel in einem ungewohnt goldenen Farbton.
    Weiter!
    Was geschehen war, verblasste.
    Sein Name zählte nicht mehr. Auch nicht seine Herkunft. Der Tunnel aus Licht nahm ihn auf, und er fühlte sich darin wohlig und geborgen.
    Nur die Schatten waren geblieben und bedrängten ihn. Immer dichter rückten sie an ihn heran, ihre Stimmen wurden hektisch.
    Sie redeten über ihn. Das nahm er wahr. Aber er wollte es nicht, wollte nicht ihr Entsetzen, ihre verzweifelte Panik und ihre Hilflosigkeit spüren. „Wenn wirklich noch Leben in ihm ist... dann ..."
    „Er wäre besser tot!"
    „Ist er das nicht schon? Dieser winzige Ausschlag der Zellspannung kann alles Mögliche bedeuten."
    Wo sie standen, war alles verwüstet, ausgeglüht und taub. Und der halb verkohlte, blutverkrustete, undefinierbare Klumpen zuckenden Gewebes ... Malcolm verstand, dass das sein Körper gewesen war, doch dieses grauenvoll verunstaltete Etwas erschien ihm wie das Relikt einer längst vergangenen Zeit -und einer entsetzlich fernen Welt zudem.
    Er entfernte sich schneller.
    Er floh vor sich selbst und dem Fragment, das einmal seinen Namen getragen hatte: Malcolm Scott Daellian.
    Erschreckend deutlich stieg die Erinnerung in ihm auf, und die Wahrheit, das Jetzt, drohte ihn zu ersticken. Das war mehr, als er glaubte ertragen zu können. Sehr viel mehr sogar. Er wusste nicht einmal zu sagen, ob er sich selbst bemitleiden oder hassen sollte dafür, dass er noch lebte.
    Manchmal, wenn er aus diesem vagen Meer von Erinnerungen auftauchte, glaubte er, seinen Hass auf die Menschen konzentrieren zu müssen, die ihm das angetan hatten: die Mediker, Kybernetiker und Psychologen.
    Ich war tot!, schrien dann seine Gedanken. Ihr habt mich zurückgeholt! Gegen meinen Willen! Aber dieses Leben ist kein Leben mehr, es ist eine schreckliche Verdammnis ...
    Er war gefangen, eingesperrt - nicht in einem Körper aus Fleisch und Blut, sondern ... Jemand kam. Malcolm erstarrte für einen Moment, dann versetzten seine verbliebenen Muskelfasern die Flüssigkeit in Bewegung. Er spürte, wie sich die Wellenbewegung an der Wandung brach und zurückschwappte.
    Zögernd bewegte Malcolm einen Arm. Er knickte die Gelenke ab, wie er es als Mensch nie fertig gebracht hätte.
    Als Mensch...?
    Der Gedanke war bitter. Nur die Erinnerung war ihm geblieben; sie verklärte vieles, aber sie machte sein Dahinvegetieren auch zur Qual.
    Er registrierte die Veränderung im Raum. So kurz nach seinem Erwachen aus den Albträumen war Besuch ungewöhnlich. Seit Monaten kamen nur die Mediker zu ihm; für den Rest der Welt existierte er seit seinem Tod vor weniger als einem Jahr nicht mehr, aber vielleicht war das auch gut so. Er war ein Monstrum - selbst in einer Zeit, in der die Menschheit den Anblick fremdartigster Lebensformen nicht mehr als ungewöhnlich wahrnahm.
    Er konzentrierte sich auf die Schritte, ohne jedoch alle Sinne zu aktivieren.
    Drei Personen. Gut fünf Meter entfernt blieben sie stehen ... ... und starrten ihn an.
    Eine der drei war Dr. Suann Kompar. Sie war von Anfang an bei ihm, und längst konnte er ihren Gemütszustand aus den Bewegungen ablesen, wusste, ob sie erregt war, sich geärgert hatte oder einfach nur müde war. Jetzt erschien sie ihm einfach nur ... hektisch. Irgendwie nervös, und diese Nervosität hatte nichts mit ihm zu tun. Das zumindest versuchte er sich einzureden.
    Die Schritte ihrer Begleiter konnte er nicht einordnen. Aber vielleicht, redete er sich ein, interessiert mich das auch gar nicht. Ich bin ein Fossil für sie.
    Einer der Besucher räusperte sich. Es klang, als hätte er einen Frosch verschluckt.
    Malcolm Scott Daellian fröstelte. In seiner Vorstellungswelt sah er zwei Männer und die Ärztin als gesichtslose Schemen. Er wollte nicht, dass sie ihn anstarrten. Um ihrer ledig zu sein, musste er sich ihnen stellen. Dann würde alles wieder gut werden, und er würde weitertreiben im Meer aus Schmerz und Erinnerung. Er aktivierte ein gerichtetes Akustikfeld. „Geht wieder!", herrschte er sie an. „Ich bin nur ein lebender Leichnam!"
     
    4.
     
    „Wer liegt auf Zimmer 34?", fragte Myles Kantor irritiert, während sie nebeneinander die Eingangshalle durchschritten. „Du wirst es gleich erfahren." Homer G. Adams schnitt damit der Medikerin das Wort ab, die ebenfalls zu einer Antwort ansetzte. „Dies ist eine der renommiertesten Privatkliniken auf Terra ...", überlegte der Wissenschaftler.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher